Schwergewichtschampion Klitschko verteidigt am heutigen Sonnabend seine WM-Titel in Hamburg. Auch abseits des Rings ist eine Menge los.

Hamburg. Wenn Wladimir Klitschko am Sonnabend seine WM-Titel im Schwergewicht in der ausverkauften O2 World gegen den Polen Mariusz Wach, 32, verteidigt, werden 15.000 Menschen in der Arena und viele Millionen vor den Bildschirmen das Geschehen im Ring verfolgen. Der TV-Sender RTL, der seine Zusammenarbeit mit dem 37 Jahre alten Boxprofi aus der Ukraine und dessen Bruder Vitali, 41, kürzlich um fünf Kämpfe verlängerte, überträgt live von 22.10 Uhr an. Auch im Liveticker auf abendblatt.de können sie das Geschehen verfolgen. Die 30-Sekunden-Werbespots in den Rundenpausen sind für 125.100 Euro verkauft. Der dritte Mann im Ring, der über das Einhalten der Regeln wacht und das alleinige Sagen hat, ist Ringrichter Eddie Cotton aus den USA.

Doch was passiert am Rand des Ringes, wo die Kameras selten hinschwenken? Wer sind die Menschen, die dort arbeiten? Mithilfe der Expertise von Jean-Marcel Nartz, 66, einst Technischer Direktor der Top-Promoter Universum und Sauerland, und Thomas Pütz, 46, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), beleuchtet das Abendblatt das Geschehen rund um das Seilgeviert, ohne das ein Profiboxkampf nicht möglich wäre.

Ein Boxring ist quadratisch, muss eine Kantenlänge von 4,88 bis 7,32 Meter haben und von drei bis fünf Zentimeter starken Seilen umspannt sein. Der Ring, in dem am Sonnabend gekämpft wird, ist 6 x 6 Meter groß. Die Klitschko Management Group (KMG) mietet ihn bei der Münchener Firma "Pro Box" an, die ihn liefert sowie auf- und abbaut. Der Ringboden ist aus elastischem Holz und mit Stoff bespannt.

1. Punktrichter: Sie haben die wichtigste Aufgabe. Pasquale Procopio (Kanada), Mike Ancona und Adelaide Byrde (beide USA), die wie Ringrichter Cotton von den beteiligten Weltverbänden World Boxing Organisation (WBO), World Boxing Association (WBA) und International Boxing Federation (IBF) eingesetzt wurden, sitzen an den drei Stirnseiten des Rings, an denen die Fotografen (2.) und Vertreter der Print- und TV-Medien (3.) platziert sind, auf einem hohen Hocker. Sie müssen nach jeder Runde ihre Wertung auf einem Punktzettel notieren und dem Ringrichter reichen. Gewertet wird mit zehn Punkten für den Gewinner und neun für den Verlierer der Runde, bei einem Niederschlag erhält der Verlierer gar nur acht Zähler.

Punktrichter arbeiten grundsätzlich verbandsübergreifend, unter den vier weltweit bedeutenden Verbänden besteht einzig das World Boxing Council (WBC) auf Exklusivität. Die meisten Punktrichter starten ihre Laufbahn im Amateurbereich, werden über ihre Landesverbände geschult und sammeln mit einer Probelizenz praktische Erfahrung im Profilager. Zunächst werden sie auf nationaler Ebene, in Deutschland beispielsweise im Zuständigkeitsbereich des BDB, eingesetzt. Wer sich bewährt, bekommt internationale Einsätze. Eine Altersgrenze existiert nicht.

Für eine Schwergewichts-WM erhält ein Punktrichter zwischen 1200 und 1500 Dollar (1 Dollar sind 0,78 Euro), der Ringrichter zwischen 1500 und 2000 Dollar. Zusätzlich werden alle Reise- und Hotelkosten übernommen. Bezahlt werden sie vom Veranstalter des Kampfes, in Hamburg ist das die KMG. Diese zahlt das Geld an die Delegierten der Weltverbände, die es an das Kampfgericht weiterleiten. So sollen mögliche Bestechungsversuche eingedämmt werden. Promoter haben grundsätzlich das Recht, gegen die Besetzung des Kampfgerichts zu protestieren. Die Entscheidung darüber obliegt aber einzig den beteiligten Weltverbänden.

6. Delegierte: Jeder Weltverband entsendet einen Delegierten zum Kampf. Dieser sitzt immer direkt am Ring. In Hamburg sind Lindsey Tucker (USA/IBF), Dave Roden (England/WBA), John Duggan (USA/WBO) und für die unbedeutende International Boxing Organisation (IBO), deren Titel Klitschko auch hält, Ed Levine (USA) vor Ort. Die Delegierten überwachen das Wiegen am Vortag des Kampfes, sie vertreten ihre Verbände gegenüber der Öffentlichkeit. Sie erhalten vor dem Kampf die Gürtel, die der Champion in den Ring mitgebracht hat, bewahren sie während des Kampfes am Ring auf und geben sie danach an den Gewinner weiter. Und sie zählen die Punktzettel aus, die sie vom Ringrichter erhalten.

Jeder Delegierte erhält vom Veranstalter eine Aufwandsentschädigung von 700 bis 1500 Dollar, dazu seine Reise- und Hotelkosten. Zusätzlich dazu kassiert jeder beteiligte Weltverband vom Veranstalter eine Gebühr zwischen 2000 und 5000 Dollar für die Sanktionierung des Kampfes, dazu kommen noch 1,5 bis zwei Prozent von der Börse der Boxer als Verbandsgebühr.

7. Verbandspräsident: Ebenfalls am Ring sitzt der Präsident des Verbands , unter dessen Ägide der Kampf veranstaltet wird. In Hamburg ist dies BDB-Chef Pütz. Er ist den Weltverbänden übergeordnet und muss dafür sorgen, dass die national gültigen Regeln eingehalten werden. Pütz führt das offizielle Wiegen durch, er leitet auch die Regelbesprechung am Vortag des Kampfes, auf der alle Delegierten der Weltverbände und Vertreter beider Boxer anwesend sind. Für seine Arbeit erhält der BDB vom Veranstalter eine in der BDB-Satzung festgelegte Gebühr, die bei einer Schwergewichts-WM rund 5100 Euro umfasst.

5. Technischer Leiter: Neben den Delegierten der Verbände sitzt der Technische Leiter (bei KMG Klaus Müller), der vom Veranstalter bezahlt und oft auch angestellt wird. Die Entlohnung variiert zwischen 500 und 25 000 Euro pro Kampfabend, je nach dessen Wertigkeit. Die Aufgaben des Technischen Leiters sind vielfältig. Er ist das Bindeglied zwischen Veranstalter und Verbänden, koordiniert die Medientermine, mietet die Veranstaltungsarenen an, bucht Flüge und Hotels. Vor dem Kampf kontrolliert er, ob der Ring und die Ausrüstung der Boxer den Regeln entsprechen. Während des Kampfes ist er Ansprechpartner für die Verbände und die Medien, aber auch für die Lager der Boxer, das Kampfgericht und die Techniker, die in der Halle beschäftigt sind.

8. Ringsprecher: Bei RTL-Kämpfen ist das Gregor König, der die Runden ansagt und öffentliche Durchsagen macht. Der weltberühmte Announcer Michael Buffer, der vor dem Kampf die Kämpfer in den Ring ruft und vorstellt und danach das Urteil verliest, sitzt dagegen in der ersten Publikumsreihe.

9. Zeitnehmer: Sie kontrollieren mittels zweier Stoppuhren die Einhaltung der Rundendauer von drei Minuten. Auf Weisung des Ringrichters halten sie die Zeit bei Verletzungs- oder regeltechnischen Unterbrechungen an. Mit einem dreifachen Klopfen auf den Ringboden signalisieren sie den Kämpfern und deren Teams, wann die letzten zehn Sekunden einer Runde angebrochen sind, und mit einer Glocke läuten sie das Rundenende ein. Außerdem sind sie angehalten, das Zählen des Ringrichters zu kontrollieren, wenn ein Boxer zu Boden gegangen ist. Zeitnehmer ist die Vorstufe zum Posten des Punktrichters. Sie erhalten vom nationalen Verband, der sie einsetzt, rund 50 Euro Aufwandsentschädigung plus Reise- und Hotelkosten.

4. Ringecke: In den Ecken der Boxer herrscht auch Hochbetrieb. In beiden Ecken steht ein vom nationalen Verband bestellter Ringarzt bereit. Dieser darf in den Rundenpausen nach der Gesundheit des Boxers schauen. Läuft der Kampf, kann einzig der Ringrichter die Ärzte um ihr Eingreifen bitten. In Hamburg sind Stephan Bock (Duisburg(blaue Ecke) und Stefan Holthusen (Hamburg/rote Ecke) eingesetzt. In der Regel sind die Ringärzte sportmedizinisch ausgebildet. Sie besuchen auf eigene Kosten Schulungen der Weltverbände, sind auf der Regelbesprechung am Vortag des Kampfes anwesend. Wichtig ist: Sie können dem Ringrichter die Empfehlung aussprechen, einen Kampf wegen zu hoher Verletzungsgefahr abzubrechen. Die Befugnis, dies selbst zu tun, haben sie nicht. Für ihren Einsatz erhalten sie in der Regel rund 300 Euro Aufwandsentschädigung.

Der BDB stellt zudem in jeder der beiden Boxer-Ecken einen Inspekteur ab. Dieser überwacht schon vor dem Kampf das korrekte Anlegen der Bandagen und Handschuhe. Während der Pausen achtet er darauf, dass dem Boxer nicht mit unerlaubten Mitteln bei der Stillung blutender Wunden geholfen wird. Er überwacht, dass sich nicht mehr als die erlaubten vier Teammitglieder - dies sind in der Regel der Cheftrainer, der Cutman und zwei weitere Betreuer - in der Ecke befinden. Außerdem darf in den Ringpausen nur eine der vier Personen im Ring stehen und zwei weitere oben, aber außerhalb des Rings. Zuwiderhandlung kann im härtesten Fall mit der Disqualifikation des Kämpfers bestraft werden.

In den Ringpausen stehen zur Sicherheit in jeder der vier Ecken Security-Mitarbeiter mit dem Blick zum Publikum. Sie sollen verhindern, dass Gegenstände in den Ring geworfen werden oder gar Zuschauer versuchen, den Ring zu stürmen. Während des Kampfgeschehens sitzen diese Sicherheitsleute nicht am Ring, sondern im Publikum.

Natürlich ist das, was im Ring passiert, das, was die Zuschauer interessiert. Aber die vielen Helfer am Ring verdienen es, dass man ihre Arbeit würdigt. "Ohne mein Team wäre ich nichts", hat Wladimir Klitschko schon oft gesagt. Und ohne die Menschen am Ring wäre darin nichts los.