Die Krawalle in Hannover „befeuern“ die Diskussion um ein Strategiepapier von DFB und DFL. Dresden droht nun der Ausschluss vom DFB-Pokal.

Frankfurt/Hamburg. Nach den Ausschreitungen im Rahmen des DFB-Pokalspieles zwischen Hannover 96 und Dynamo Dresden am Mittwoch nehmen die Diskussionen um den umstrittenen Maßnahmenkatalog des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) zur Verbesserung der Sicherheit in den Stadien weiter an Fahrt auf. „Es ist dringend erforderlich, die Diskussion wieder mehr zu versachlichen“, forderte Ligapräsident Reinhard Rauball nach einem bereits vor Wochen terminierten Gespräch zwischen DFB, DFL und Polizeigewerkschaft am Donnerstag: „Dafür sind weitere intensive Gespräche mit allen Beteiligten, darunter natürlich die Fans und die Polizei, elementar.“

Das von den Verbänden vorgelegte Strategiepapier war in einigen Fankreisen zuletzt auf Ablehnung gestoßen. Die Anhänger fühlen sich in die Entwicklung der potenziellen Maßnahmen nur unzureichend eingebunden. Am 12. Dezember will die DFL auf ihrer Vollversammlung über den Katalog abstimmen lassen. Die Fans hielten am Freitag auf Initiative des Zweitligisten Union Berlin einen Kongress ab, um Alternativen zu den DFB- und DFL-Vorschlägen zu entwickeln. Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) waren nach Aussage des GdP-Vorsitzenden Bernhard Witthaut allerdings nicht geladen.

Die Notwendigkeit einer Strategie zur Gewaltbekämpfung hatten alle Beteiligten am Mittwochabend vor Augen geführt bekommen. Nach Polizeiangaben waren in Hannover 21 Personen in Gewahrsam genommen worden. 1.400 Dresdener Fans hatten vor dem Spiel versucht, die Kontrollpunkte zu durchbrechen und dabei einige Ordner überrannt. So gelangten etwa 400 Anhänger unkontrolliert in die Arena. Wie viele Personen genau verletzt wurden, lasse sich vermutlich nicht mehr ermitteln, sagte Hannovers Polizeisprecher Dirk Hallmann auf dapd-Anfrage. Aus Angst vor den Dynamo-Anhängern seien viele Ordner geflüchtet.

Rauball: „Müssen jetzt Informationen einholen“

Im Anschluss an die Dresdener 4:5-Niederlage nach Elfmeterschießen waren dann rund 200 Chaoten aus dem Gäste-Block auf das Spielfeld gestürmt und hatten dort Pyrotechnik abgebrannt. „Die Dynamo-Fans haben leider nichts dazu beigetragen, um ihr schlechtes Image zu verbessern“, sagte Hallmann. Allerdings waren vor und während der schon im Vorfeld als Risikospiel eingestuften Partie auch in der 96-Fankurve immer wieder die verbotenen Bengalos gezündet worden. Der DFB-Kontrollausschuss nahm wegen der Vorfälle Ermittlungen in alle Richtungen auf.

„Wir müssen jetzt Informationen einholen. Aber das ist natürlich etwas, das die öffentliche Diskussion weiter befeuert“, sagte Rauball: „Wir müssen uns der Verantwortung stellen.“ Der künftige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig sagte im „Morgenmagazin“ des ZDF: „Das Stadionerlebnis darf für alle kein Ort des Schreckens werden, auch nicht für Polizisten.“ Am Rande des Fankongresses fügte der 49-Jährige am Mittag hinzu: „Natürlich sind das Szenen, die uns beunruhigen und die wir nicht akzeptieren.“

Dresdens Fans sorgten schon 2011 für Krawalle

Schon im vergangenen Jahr hatten Dresdener Krawallmacher den DFB-Pokal als Bühne missbraucht. Rund um die Zweitrundenniederlage Dynamos bei Borussia Dortmund im Oktober 2011 (0:2) hatten Chaoten Gewalt gegen Polizeibeamte angewandt, einige Stadionbereiche verwüstet und immer wieder Pyrotechnik gezündet. Dreimal musste die kurz vor dem Abpfiff befindliche Partie unterbrochen werden. Hallmann bezeichnete den Verlauf des Mittwochabends im Vergleich als „deutlich glimpflicher“.

Nach den letztjährigen Krawallen hatte der DFB zunächst konsequent reagiert und die Sachsen vom derzeit laufenden Pokal-Wettbewerb ausgeschlossen. In Folge eines Dresdener Einspruchs war die Strafe dann aber abgemildert worden. Der Zweitligist durfte starten. Statt der ursprünglichen Sanktionen wurde der Klub zu einem „Geisterspiel“, dem Ausschluss der eigenen Fans bei einem Auswärtsspiel und einer Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro Geldstrafe verurteilt.

„Das ist eine letzte Warnung an den Verein Dynamo Dresden“, hatte Goetz Eilers als Vorsitzender des DFB-Bundesgerichts damals gesagt. BVB-Trainer Jürgen Klopp, mit seiner Mannschaft im vergangenen Jahr selbst Betroffener der Dresdener Krawalle, hält von einem Cup-Ausschluss Dynamos wenig. „Es geht nicht darum, einen Verein auszuschließen“, sagte der Coach: „Auch Dynamo Dresden hat so viele Fans, denen es ausschließlich um Fußball geht.“

Dynamo Dresden zeigte sich angesichts der Vorkommnisse „beschämt und empört“. Das Verhalten „einer begrenzten, leider aber zu großen Gruppe“ habe „tausende friedliche Fans wieder landesweit diskreditiert und am gestrigen Abend am Einlass sogar in ganz konkrete Schwierigkeiten brachte“, hieß es in einer am Donnerstagabend verbreiteten Stellungnahme des Klubs. Gleichwohl nahm der Verein aber auch die Verantwortlichen im Stadion von Hannover 96 in die Pflicht: „Verantwortung für Vorfälle der gestern erlebten Art tragen aber auch diejenigen, die sie nicht verhindern.“

DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock wollte sich an Spekulationen über mögliche Sanktionen gegen den Klub nicht beteiligen: „Das ist ein Thema für die Sportgerichtsbarkeit.“