Acht verletzte Polizisten und 200 Festnahmen. Darunter teils gravierende Straftaten. Die Einsatzleitung der Polizei spricht von „Ignoranz”.

Dortmund. Schwere Ausschreitungen haben das Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 am Samstag überschattet und im deutschen Fußball das Dauerthema Gewalt wieder auf die Tagesordnung gebracht. Rund um das 141. Derby, das Schalke mit 2:1 gewann, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen, die die Polizei unter massivem Einsatz von Wasserwerfern und Pfefferspray eindämmen musste. Die Bilanz eines ernüchternden Tages: acht verletzte Polizeibeamte, rund 200 vorübergehende Festnahmen und große Sachschäden.

„Die Dortmunder Polizei fühlt sich bei ihrer Lageeinschätzung, dass es bei dem Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen zu massiven Gewalttätigkeiten kommt und ein hoher Kräfteansatz erforderlich ist, bestätigt“, sagte der leitende Polizeidirektor Dieter Keil. Über 1.000 Beamte waren im Einsatz, etwa viermal so viele wie bei normalen Bundesliga-Spielen in Dortmund. Keil bewertete das Auftreten der Ultra-Gruppierungen als rücksichtslos, er sprach von einer „Ignoranz gegenüber geltenden Gesetzen und den im Fußball anerkannten Regeln“. Es seien „gravierende Straftaten verübt“ worden. Dies werde laut Keil strafrechtlich konsequent verfolgt.

Die Polizei erklärte, dass die Randale regelrecht organisiert gewesen sei, die Initiatoren seien mehrheitlich aus dem Schalker Lager gekommen. Demzufolge waren vor dem Spiel rund 600 Schalker Anhänger „konspirativ“ nach Dortmund angereist. Sie hätten sich in der Nähe der Arena gesammelt und dann auf dem Stadion-Vorplatz gegnerische Fans angegriffen, hieß es. Dortmunder Ultragruppierungen wiederum seien mit Flaschen und Farbbeuteln bewaffnet auf die Gegenseite losgegangen. Die Täter seien zum Teil vermummt gewesen, unbeteiligte und friedliche Zuschauer angegriffen worden. Die Polizei musste massiv gegen die Gewalttäter vorgehen.

„Nur durch den Einsatz eines Wasserwerfers und von Pfefferspray in der Vorspielphase konnte ein weiteres Eskalieren der Situation verhindert werden“, sagte Keil. Während des Spiels wurde im Schalker Fanblock auf der Nordtribüne Pyrotechnik gezündet und eine Dortmunder Fahne ausgerollt. Die Polizei konnte aber ein Eindringen einiger aufgebrachter BVB-Anhänger auf die Gästeränge verhindern. Mithilfe der Videoüberwachung sollen die Täter nun ermittelt werden. Im Rahmen der Festnahmen stellten die Einsatzkräfte nach eigenen Angaben ein ganzes Arsenal an Pyrotechnik wie Bengalos, Handfackeln und Rauchpulver sowie Pfefferspray, Quarzhandschuhe, Sturmhauben und Beißschienen sicher.

Die Auswüchse in Dortmund bestätigten einmal mehr, dass die Gewalt einen großen Schatten auf die ansonsten prächtigen Entwicklungen in allen Bereichen des deutschen Fußballs wirft. Heribert Bruchhagen, Vorstandschef des Bundesliga-Zweiten Eintracht Frankfurt sprach erst vor kurzem von einem „Flächenbrand“. Er sei bei „dieser Problematik ratlos“. Peter Hofmann, Präsident von 1899 Hoffenheim, sieht in gewaltbereiten Fans „Fußball-Terroristen“. Amtskollege Martin Kind von Hannover 96 hatte nach den Beschimpfungen gegen Emanuel Pogatetz Teile der eigenen Fans als „Arschlöcher“ bezeichnet.

Für Entsetzen hatten in der Vergangenheit vor allem Chaoten gesorgt, die dem Umfeld des Bundesliga-Absteigers 1. FC Köln angehören. So wurde Defensivspieler Kevin Pezzoni nach dem 0:2 Kölns bei Energie Cottbus vor der eigenen Haustür und in Internetforen bedroht. Pezzoni verließ danach den Klub. Im vergangenen Jahr hatten Kölner Gewalttäter einen Bus mit Fans von Borussia Mönchengladbach auf der Autobahn abgedrängt und die Insassen in Lebensgefahr gebracht. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen die Täter laufen noch.

Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball, zugleich Präsident des deutschen Meisters und Pokalsiegers Borussia Dortmund, sprach vor dem Saisonstart beim Thema Sicherheit von einer „großen Herausforderung. Nicht nur im Fußball haben wir Probleme, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Dazu brauchen wir den Staat und die Polizei. Und wir brauchen die 99,6 Prozent der Fans, die die restlichen 0,4 Prozent, die Probleme machen, aus dem Stadion verdrängt“, sagte Rauball. Mehrfach hat sich in Berlin bereits ein Runder Tisch unter der Leitung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zusammengefunden, in dem Lösungsvorschläge erörtert wurden - bislang offenbar mit wenig Erfolg.