Die Klitschko-Herausforderer Alexander Povetkin und Kubrat Pulev leiden in Hamburg unter der Schwäche ihrer Gegner.

Hamburg. Der Sonntagmorgen war angebrochen, in der Sporthalle Alsterdorf wurde der Boxring bereits abgebaut, als sich noch eine Frage aufdrängte: Was um Himmels willen ist bloß aus dem Schwergewicht geworden? Es war eine Farce gewesen, die den 4000 Zuschauern geboten wurde, und um es vorwegzunehmen: Sie war nicht dem gastgebenden Berliner Sauerland-Team und seinen Sportlern anzulasten, die taten, was sie konnten. Vielmehr war zu beobachten, was passiert, wenn Weltverbände nur den Profit sehen und die einstige Königsklasse des Berufsboxens mit fragwürdigen Ansetzungen quälen.

Im Hauptkampf der Veranstaltung wurde den zahlenden Fans eine Weltmeisterschaft im Schwergewicht angeboten, die nur deshalb eine Weltmeisterschaft war, weil die World Boxing Association, einer der vier bedeutenden Weltverbände, sich den unsinnigen Luxus leistet, ihren besten Mann Superchampion zu nennen und darunter einen "regulären" Champion zu führen. Weltverbände kassieren für jeden Titelkampf Gebühren, und je mehr Titel es gibt, desto mehr Gebühren kann man kassieren. Die Zeche zahlt der Fan.

Der Superchampion heißt bei der WBA Wladimir Klitschko, der reguläre Weltmeister ist Alexander Povetkin, er boxt für Sauerland und hatte es in Hamburg mit einem US-Amerikaner namens Hasim Rahman zu tun, dessen größte Leistung es war, Superstar Lennox Lewis auszuknocken. Das allerdings ist elfeinhalb Jahre her, und es wird gern vergessen, dass Rahman das sofortige Rematch mit Lewis vorzeitig verlor. Seitdem hat er nichts Großes gerissen, bei seiner vorzeitigen Niederlage gegen Wladimir Klitschko vor vier Jahren war er, wie es im Boxerdeutsch heißt, schon längst über den Berg.

Und das Tal ist tiefer geworden. Mittlerweile steht der Mann vor seinem 40. Geburtstag, bewegt sich und redet allerdings, als wäre er doppelt so alt, und so hatte er dem technisch versierten Russen, der 2004 immerhin Olympiasieger war, nichts entgegenzusetzen. In der zweiten Runde benutzte er seine rechte Schlaghand nur noch dazu, sich am Ringseil festzuhalten, um nicht umzufallen, und so war es Ringrichter Gustavo Padilla aus Panama vorbehalten, das ungleiche Duell nach nicht einmal sechs Minuten abzubrechen.

Gern hätte man gewusst, wieso ein Scheintoter wie Rahman als Pflichtherausforderer nominiert worden war, doch der WBA-Delegierte war mit Kampfende aus der Halle verschwunden und stand für Nachfragen nicht zur Verfügung. Gerne hätte man auch herausgefunden, ob Povetkin, der nun als Pflichtherausforderer bis März 2013 gegen Superchampion Klitschko antreten soll, für diese Herausforderung überhaupt bereit ist. Aber das Duell mit Rahman, der ohne Musikbegleitung in die Halle kam, weil er gegen die aus seiner Sicht respektlose Behandlung durch den Sauerland-Stall protestieren wollte, war ein Muster ohne Wert.

Das Gleiche erlitt Povetkins Stallkollege Kubrat Pulev. Der wackere Bulgare ist Europameister im Schwergewicht, und er musste seinen Titel gegen Alexander Ustinov verteidigen, einen weißrussischen Hünen, 202 cm groß und 138 kg schwer. Ustinov steht bei der Klitschko-Promotionfirma K2 East unter Vertrag, er war schon mehrfach Sparringspartner der Brüder und hat sich gegen unterklassige Gegner einen respektablen Rekord von 27 Siegen in 27 Kämpfen zusammengeboxt. Doch weil er neben seiner physischen Stärke alles vermissen lässt, was ein Spitzenboxer braucht, wirkte er gegen den beweglichen Pulev nur wie eine schlechte Zeitlupenkopie von Vitali Klitschko. Fast jeder Jab des Bulgaren traf.

In Runde elf ließ sich Ustinov nach zwei Schläfentreffern auszählen. Am Ring schaute Ex-Europameister Jürgen Blin zu - und muss erschüttert gewesen sein angesichts der Qualität, die heutzutage ausreicht, um sich um den wichtigsten kontinentalen Titel zu bewerben. Der Weltverband IBF hatte das Duell gar als Ausscheidungskampf sanktioniert, um den Pflichtherausforderer für seinen Weltmeister - ebenfalls Wladimir Klitschko - zu ermitteln. Man muss als neutraler Beobachter froh darüber sein, dass Ustinov den "Lucky Punch", zu dem er durchaus fähig ist, und damit das Duell mit seinem Chef verpasste. Diese Ansetzung wäre wirklich nicht mehr zu vermitteln gewesen.

Dass das Hamburger Publikum den technisch besten Kämpfer des Abends, Halbmittelgewichtler Jack Culcay, ausbuhte, weil der polnische Ringrichter Leszek Jankowiak dessen Kampf gegen den Briten Mark Thompson nach einem Schlaghagel in Runde fünf etwas zu früh abbrach, passte ins traurige Bild eines Abends, der eines gewiss nicht gewesen war: Werbung für das Boxen.