Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch spricht im Abendblatt-Interview über ihr Motivationsloch und Sicherheit im Skisport.

Hamburg. Am liebsten würde Maria Höfl-Riesch noch ein bisschen länger in Hamburg bleiben. "Ich liebe die Stadt und bin immer wieder gern da - leider viel zu selten", sagt die zweimalige Alpinski-Olympiasiegerin. Aber die Medientermine rund um ihr Buch "Geradeaus" sind eng getaktet: Heute geht es weiter nach Berlin, dann nach Köln, am Sonnabend ist sie in der SWR-Sendung "Menschen der Woche" zu Gast. Und am Sonntag wird sie auf Skiern stehen. "Ich weiß nur noch nicht, wo."

Hamburger Abendblatt: Frau Höfl-Riesch, in Deutschland ist der Herbst angebrochen. Haben Sie schon wieder Lust, Ski zu fahren?

Maria Höfl-Riesch: Ich habe es ja schon mehrere Wochen lang getan. Lust oder nicht, diese Frage stellt sich bei mir gar nicht - es ist mein Beruf. Manchmal fällt es schon schwer, wenn es Ende Juli das erste Mal auf den Gletscher nach Zermatt geht. Aber dann kommt man auch schnell wieder rein. Mein Winter dauert nun einmal von August bis April, das ist schon eine lange Zeit.

Vermissen Sie den Sommer?

Höfl-Riesch: Manchmal. Umso mehr versuche ich die wenige Zeit, die mir verbleibt, zu genießen. Aber ich weiß, dass dieser Zustand nicht für ewig ist. Spätestens 2015 ist Schluss. Dann werde ich auch den Sommer zu Hause verbringen können, deshalb beschwere ich mich nicht.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie sich bereits letzte Saison mit Rücktrittsgedanken getragen haben.

Höfl-Riesch: Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht. Ich war nach der Saison im Kopf fertig wie nie zuvor. Einiges hat mich ganz schön getroffen. Aus meiner Sicht war meine Leistung nicht schlecht in Anbetracht der Umstände: Ich bin neunmal ausgeschieden, zweimal aufgrund von Krankheit gar nicht angetreten - und trotzdem im Gesamtweltcup Dritte geworden. Natürlich gab es Fehler, die es aufzuarbeiten gilt. Aber manche Kritik war so heftig, dass ich sie als unfair empfunden habe. Das hat mir den Spaß verdorben.

Hätten Sie sich mehr Rückendeckung durch den Skiverband gewünscht?

Höfl-Riesch: Schon. Wenn in einigen Medien fälschlicherweise behauptet wird, ich würde mich nicht mehr auf den Sport konzentrieren oder hätte ein gestörtes Verhältnis zu den Trainern, wäre eine Klarstellung durchaus angebracht gewesen.

Würden Sie rückblickend etwas anders machen? Auf ein Fotoshooting, einen Galaauftritt verzichten?

Höfl-Riesch: Nein. Ich habe das ohnehin sehr dosiert. Durch meine Erfolge bei Olympia werden die Dinge nur viel stärker wahrgenommen als vorher. Ich habe schon früher einmal ein Fotoshooting für die "Bunte" gemacht, das hat keinen aufgeregt, obwohl der Aufwand der Gleiche war. Der Vorwurf, ich würde nur auf Galas herumhüpfen, ist ein Schmarrn. Ich habe gerade letztes Jahr so hart trainiert wie nie zuvor. So ein Shooting ist für mich ein Ausgleich und wichtig, um mir ein zweites Standbein für die Zeit nach der sportlichen Karriere zu schaffen. Deshalb auch die Skimodemarke "Maria". Ein anderer legt sich vielleicht an seinem freien Tag auf die Couch. Ich würde davon nur platter als vorher.

Ihnen wurde auch ein angespanntes Verhältnis zu den anderen Teammitgliedern nachgesagt. Trifft das zu?

Höfl-Riesch: Im Gegenteil. Wir sind ein kleines, aber feines Team, das sich super entwickelt hat. Die anderen gehen sehr respektvoll mit mir um, schon weil ich im Moment mit Abstand die Älteste bin. Wenn Sie darauf anspielen, dass mein Ehemann und Manager dabei ist: Das wird mittlerweile als normal angesehen. Ich finde, dass jemand, der seit mehr als zehn Jahren dabei ist und ein bisschen was erreicht hat, solche Ansprüche stellen kann. Ich war über viele Jahre die Einzige, die die Erfolge für den Verband eingefahren hat, und bin noch immer die, die den meisten Stress hat, weil ich alle Disziplinen fahre.

Haben Sie sich schon an das neue Material gewöhnt, das der Weltverband ab der nächsten Saison vorschreibt?

Höfl-Riesch: Es war schon eine Umstellung, gerade bei Abfahrt und Super-G geht es schwieriger um die Kurve als vorher. Man muss den Außenski wieder stärker belasten. Aber es wird schon.

Wird der Rennsport durch die größeren Radien der Skiier wie erhofft sicherer?

Höfl-Riesch: Das wird die Saison zeigen. Klar ist: Es wird nicht langsamer und der Druck in der Kurve nicht geringer. Vielleicht gehen die Stürze infolge von Verkanten zurück.

Reichen die Sicherheitsstandards aus?

Höfl-Riesch: Man würde es sich zu einfach machen, es aufs Material zu reduzieren. Es müsste auf mehreren Ebenen angesetzt werden. Dazu gehört auch die Präparierung der Strecken. Es wird in jedem Fall eine Gratwanderung bleiben: Setze ich drehendere Kurse, nehme ich zwar Geschwindigkeit heraus, erhöhe aber den Druck in den Kurven.

Sie waren mit Vonn eng befreundet, aber seit Ihrem Gesamtweltcup-Sieg 2011 ist Ihr Verhältnis angespannt. Sie haben das im Buch thematisiert. Wie werden Sie ihr begegnen?

Höfl-Riesch: Wir haben uns gerade in Chile getroffen. Ich hatte ihr schon vorher angekündigt, dass ich in meiner Autobiografie auch über den Ärger schreibe, den es zwischen uns gab. Sie sagte, es sei okay. Es wird sicher nicht mehr so innig werden wie früher, aber wir verstehen uns wieder. Den Sport vom Privaten zu trennen ist leider kaum möglich, das mussten wir beide erfahren.

Sie haben vor einem Jahr mehr Rennen in Großstädten angemahnt und auch Hamburg ins Spiel gebracht. Ist seither etwas Konkretes passiert?

Höfl-Riesch: City-Events sind schon im Kommen. Nächste Saison sind zwei geplant, in München und Moskau. Wir brauchen das, um den Leuten unseren Sport näherzubringen. Es ist sicher sportlich nicht vergleichbar mit dem Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Aber in der heutigen Zeit, bei der Konkurrenzsituation um die mediale Aufmerksamkeit, muss man sportliche Events gut und spannend präsentieren.

Wäre Skicross auch etwas für Sie?

Höfl-Riesch: Mir wäre das zu gefährlich. Ich habe da schon so heftige Stürze gesehen. Wenn es nicht nur gegen die Piste, die Tore, das Wetter geht, sondern auch noch gegen andere Fahrer - das finde ich ein bisschen hart.

Gehen Sie vorsichtiger oder draufgängerischer mit den Gefahren um als früher?

Höfl-Riesch: Vorsichtiger, gerade wenn man wie ich schon schlimme Verletzungen erlebt hat und eigentlich sportlich alle Ziele erreicht hat. Natürlich habe ich noch den Ehrgeiz, Rennen und Medaillen zu gewinnen. Aber an einem Tag, an dem ich kein gutes Gefühl habe, kann ich unbewusst nicht mehr so an die Grenzen gehen und alles riskieren so wie früher. In Bad Kleinkirchheim stand ich beim Abfahrtstraining schon am Starthäuschen und habe dann so eine Panikattacke bekommen, dass ich heulen musste und nicht gestartet bin.

Sie haben 2011 infolge einer Antibiotika-Behandlung viel Gewicht verloren. Fühlen Sie sich heute 100-prozentig gesund?

Höfl-Riesch: Wenn ich viel Stress habe, schlägt sich das sofort im Magen-Darm-Trakt nieder. Aber es geht mir schon viel besser als vor einem Jahr. Und ich habe auch ein paar Kilo mehr auf den Rippen, was nicht von Nachteil ist, um die Saison körperlich durchzustehen.

Sie haben sich für die Münchner Olympiabewerbung starkgemacht. Sollte die Stadt für 2022 erneut kandidieren?

Höfl-Riesch: Die Vergangenheit lehrt, dass Städte, die sich wieder und wieder beworben haben, irgendwann zum Zuge kamen. Es geht ja nicht nur darum, die beste Bewerbung vorzulegen, sondern auch, Stimmung für sich zu machen. Dafür muss man dranbleiben, sonst hat man keine Chance.