Bad Liebenzell. Es war irgendwann beim häuslichen Abendessen am Anfang des Jahres, als das Gespräch auf die anstehenden deutschen Schachmeisterschaften kam. "Ich traue mir zu, den Titel zu gewinnen", sagte Niclas Huschenbeth zu seinen Eltern. Die schauten sich staunend an, freuten sich aber über das Selbstbewusstsein ihres Sohnes.

Der Glaube an die eigene Stärke mag dann auch entscheidend gewesen sein beim Kampf um die nationale Krone des königlichen Spiels. Niclas Huschenbeth ist in Bad Liebenzell bei Pforzheim tatsächlich deutscher Meister geworden, mit 18 Jahren einer der Jüngsten in der Geschichte des Traditionsturniers. Sieben Punkte aus neun Partien machte der Hamburger Abiturient, einen halben mehr als Großmeister Igor Khenkin (42) aus Wiesbaden, der große Favorit. Als Nummer 16 der Rangliste galt Huschenbeth vor dem ersten Zug allenfalls als Außenseiter.

"Ich habe immer an meine Chance geglaubt", sagte Huschenbeth, "ich habe jede Partie bis zum letzten Stein ausgekämpft und sechsmal die Remisangebote meiner Gegner abgelehnt." Diese Hartnäckigkeit, dieser Siegeswille unterschied ihn von Khenkin. Der willigte in der letzten Runde nach nur 17 Zügen bei fast vollem Brett in die Punktteilung ein, Huschenbeth, Bundesligaspieler des Hamburger SK, manövrierte dagegen so lange, bis er in seinem finalen Duell gegen Tobias Hirneise aus Neuhausen in einem Endspiel mit Türmen und Bauern klaren Vorteil erlangte. Den verwertete der Internationale Meister nach fünfeinhalb Stunden Spielzeit und 59 Zügen im Stile eines Weltklasse-Großmeisters.

Dass er irgendwann, wahrscheinlich sogar ziemlich bald, zu den Besten gehören wird, daran glaubt sein Trainer Wolfgang Pajeken fest: "Er hat sein großes Potenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft." Huschenbeth, 2006 vom Abendblatt zu Hamburgs Talent des Jahres gekürt, zeichnet das exakte Berechnen langer Zugfolgen aus, im Endspiel, wenn nur wenige Steine auf dem Brett sind, behält er stets die Übersicht. Gegen Khenkin allerdings übersah er kurz vor Schluss die Gewinnfortsetzung. Ein Lapsus, der ihm selten unterläuft. 6000 Euro Preisgeld werden ihn über dieses Versäumnis hinweggetröstet haben. Das Geld will er in seine schachliche Zukunft investieren. Einen Laptop für 900 Euro samt Schachprogrammen und -Datenbanken hatte er sich vor dem Turnier gekauft. "Das hat sich voll ausgezahlt", meinte Huschenbeth.

Seine beste Partie: Weiß: GM Falko Bindrich; Schwarz: IM Niclas Huschenbeth. Angenommenes Damengambit. 1.d4 d5, 2.c4 dxc4, 3.e4 Sc6, 4.Sf3 Lg4, 5.Le3 Lxf3, 6.gxf3 e5, 7.d5 Sb8, 8.Lxc4 Ld6, 9.Db3 Sd7, 10.Sc3 Se7, 11.Dxb7 Tb8, 12.Dxa7 0-0, 13.Lb3 f5, 14.Da6 f4, 15.Lc1 Sc5, 16.Df1 Sxb3, 17.axb3 Sg6, 18.Dh3 Sh4, 19.Ta5 g5, 20.Ke2 Kh8, 21.Tg1 h6, 22.Tb5 De8, 23.Txb8 Dxb8, 24.De6 Kg7, 25.Dd7+ Tf7, 26.Dg4 Kh7, 27.Kd3 Db6, 28.Ke2 Dxb3, 29.Td1 (Weiß bietet Remis an, Schwarz lehnt ab) Dc4+, 30.Td3 Kg7, 31.h3 Lc5, 32.Ld2 Te7, 33.Sd1 Da6, 34.Lc3 Kg6, 35.Kd2 h5, 36.Dg1 Le3+, 37.Kc2 Sxf3, 38.Df1 Lc5, 39.De2 g4, 40.hxg4 hxg4, 41.Kb1 Th7, 42.Dc2 Ld6, 43.b3 Th1, 44.Kb2 Da3+, 45.Kb1 Da6, 46.Kb2 Th3, 47.De2 Kg5, 48.Kc2 Th1, 49.Sb2 La3, 50.Te3 Dxe2+, 51.Txe2 Lxb2, 52.Lxb2 g3, 53.fxg3 fxg3, 54.Kd3 Se1+, 55.Kc3 g2, 56.Lc1+ Kg4, 57.Le3 Th3, 58.Kd2 Txe3, Weiß gab auf.

Der Hamburger Schach-Großmeister Jan Gustafsson (30) liegt bei der EM in Rijeka (Kroatien) mit 4,5 Punkten aus sieben Partien weiter im vorderen Mittelfeld.