Magdeburgs Trainer Michael Biegler lobt die umsichtige Vereinsführung und Transferpolitik der Hamburger.

Hamburg/Magdeburg. Michael Biegler ist ein Mann mit Erfahrung. Bei mehr als 600 Handballspielen der Ersten und Zweiten Bundesliga trug der heute 48-Jährige seit 1985 als Trainer oder Assistent Verantwortung an der Seitenlinie. Seine Meinung ist gefragt, und sie hat Gewicht. "Der THW Kiel und der HSV sind in dieser Saison der Konkurrenz meilenweit voraus. Beide Klubs haben in den vergangenen Jahren alles, oder zumindest fast alles, in der Personalpolitik richtig gemacht. Das zahlt sich aus", sagt der Coach des SC Magdeburg vor der Begegnung heute Abend in Hamburg (19.15 Uhr, Color-Line-Arena, DSF live). Seine Prognose: "Wenn der HSV auch nur in der Nähe seiner Leistungsgrenze spielt, haben wir keine Chance."

Das sei kein Understatement, auch wenn die Magdeburger vor acht Tagen in eigener Halle den THW Kiel beinahe besiegt hätten. Am Ende verloren sie 29:30. "Ein Unentschieden hätte dem Spielverlauf eher entsprochen", sagt Biegler. Dennoch sei das Spiel eine Ausnahme gewesen. "Natürlich sind wir in der Lage, über eine starke kollektive Leistung jeden Gegner in Schwierigkeiten zu bringen. Mannschaften des Kalibers Kiel und Hamburg müssen jedoch ein wenig mithelfen, damit etwas Zählbares herauskommt." Der HSV tat das beim 35:36 in Göppingen. Biegler: "Es gibt immer wieder Tages-Konstellationen nach Länderspielen oder wichtigen Champions-League-Duellen, in denen Topmannschaften nicht die gewohnte Aufmerksamkeit zeigen oder schlicht etwas müde sind. In der vergangenen Woche gab es eine solche Situation nach dem Supercup der Nationalmannschaft. Kiel drohte deshalb bei uns zu straucheln, der HSV ist in Göppingen gestrauchelt."

Solche Momentaufnahmen ändern nichts an Bieglers Wertschätzung für beide Klubs: "Diese zwei Vereine haben Mannschaften, die stärker sind als die besten Nationalteams der Welt." Beim HSV hätten Präsident Andreas Rudolph, Trainer Martin Schwalb und Sportchef Christian Fitzek über Jahre hinweg einen "guten Job" gemacht "und mit umsichtigen, zum Teil über Jahre vorbereiteten Transfers das Team zielgerichtet verstärkt". Auch dass die Integration der kroatischen Neueinkäufe Igor Vori und Domagoj Duvnjak in den vergangenen Wochen relativ problemlos geglückt sei, spräche für die sportliche Führung der Hamburger. "Das war keine Selbstverständlichkeit." Der HSV zeigte, sagt Biegler, "dass man mit einem Konzept und der richtigen Strategie viel erreichen kann. Anderen Vereinen, die ebenfalls größere Summen Geld für Verstärkungen ausgegeben haben, ist dies nicht gelungen." Namen nennt Biegler nicht, die Rhein-Neckar Löwen und der TBV Lemgo dürften gemeint sein.

Biegler gilt als Trainer, der stets das Optimale aus seinen Mannschaften herausholt. Am 31. Dezember wird er den SC Magdeburg verlassen. Er wechselt zum Ligakonkurrenten TV Großwallstadt. Über die Gründe spricht er nicht, "weil ich es aus juristischen Gründen nicht darf". Im August hatte Sportdirektor Stefan Kretzschmar beim Champions-League-Sieger von 2002 und EHF-Pokalgewinner von 2007 aus persönlichen Gründen seinen Posten geräumt. "Die Arbeit mit Trainer und Mannschaft war grandios, aber mit der Vereinsführung gab es unüberbrückbare Differenzen", hatte der ehemalige Nationalspieler seinen Schritt begründet. Inzwischen fürchten viele Anhänger des SC Magdeburg, der Klub könne in der sportlichen Bedeutungslosigkeit versinken. Anlass zur Sorge besteht. Aus finanziellen Gründen hatten die Magdeburger in den vergangenen Jahren zahlreiche Topspieler abgeben müssen, um zahlungsfähig zu bleiben.

Lust, irgendwann mal einen Topverein wie Kiel oder Hamburg zu übernehmen, verspürt Biegler nicht unbedingt. "Sicherlich wäre das eine reizvolle Aufgabe, sie verlangt aber ein ganz anderes Profil. Bei diesen Klubs gibst du einen großen Teil deiner Freiheiten auf. Beim THW und beim HSV darfst du als Trainer praktisch kein Spiel verlieren. Das ist ein enormer Druck."