Mit den Rhein-Neckar Löwen hat sich auch der zweite große Rivale als zu klein erwiesen. Der HSV Hamburg spielt in einer eigenen Liga.

Mannheim. Zu fortgeschrittener Stunde, die meisten HSV-Handballer hatten die Mannheimer SAP-Arena bereits verlassen, unterbreitete Michael Roth ein unmoralisches Angebot an Pascal Hens. "Komm doch zu uns, Pommes", rief der Trainer der HSG Wetzlar dem Nationalspieler zu, "bei uns kannst du 60 Minuten spielen." Das war natürlich als Scherz gemeint. Hens (29) ist der Hamburger Kapitän, ein Sympathie- und Leistungsträger, nicht wegzudenken aus dieser Mannschaft. Eigentlich.

Tatsächlich ist im Moment vieles denkbar beim HSV. Den beeindruckenden 34:30-(15:16)-Sieg bei den Rhein-Neckar Löwen hat Hens am Freitagabend nur als Fan auf der Tribüne erlebt. Eine Operation an der Ferse setzt ihn außer Gefecht. Wann er wieder spielen kann, ist unklar. Sicher scheint nur zu sein, dass seine Rolle in der Mannschaft nach der Verletzung eine andere sein wird als zuvor.

Auch vor einem Jahr konnte Hens nicht spielen. Bei den Olympischen Spielen hatte er sich den Schienbeinkopf gebrochen. Ohne Hens lief es nicht in der Bundesliga. Als der 2,03-Meter-Mann dann zurückkehrte, war die Verletzung mehr schlecht als recht verheilt, aber Hens wollte die Kollegen nicht hängen lassen.

Diesmal wird er sich Zeit lassen, schon weil er sich nicht wieder durch falschen Ehrgeiz um eine gute Saison bringen will. Diesmal wird Hens vielleicht sogar um seinen Platz kämpfen müssen, weil es mit Domagoj Duvnjak und Blazenko Lackovic zwei ebenbürtige Anwärter gibt. Insofern war Roths Offerte auch Anerkennung der neuen Stärke des HSV, der so unbeschwert spielt, als habe er vergessen, dass ihm zwei Weltklasseleute, Hens und Bertrand Gille, fehlen.

Erst nach dem Spiel erinnerte Präsident Andreas Rudolph daran: "Was ist erst, wenn Pommes und Bobo zurück sind?" Gute Frage! Auch wenn die Saison noch jung ist: Es scheint ja schon jetzt keine Mannschaft zu geben, die die Hamburger stoppen könnte. Die beiden, denen man es zugetraut hatte, konnten diese Erwartung nicht bestätigen. Den Titelverteidiger THW Kiel hat der HSV im Supercup mit 35:28 gedemütigt. Auch der zweite große Rivale erwies sich als zu klein: Die Löwen brüllten nur eine Halbzeit lang gut. "Danach haben wir den richtigen HSV gesehen", sagte Krzysztof Lijewski.

Der richtige HSV spielt derzeit in einer eigenen Liga. Er lässt den Ball im Angriff zirkulieren, dass dem Gegner schwindelig werden kann. Er hat eine Reihe Spieler zur Verfügung - Marcin Lijewski, Hans Lindberg, Lackovic, Duvnjak -, die auch Tore werfen, wo keine Torchance ist. Der richtige HSV hat mit Duvnjak und Igor Vori zwei Ausnahmespieler hinzugewonnen, die sich um die Komplexe der Vergangenheit nicht scheren. Er hat für die Abwehr zwei Varianten in petto, von denen mindestens eine bisher immer funktioniert hat. Und für die Torwartposition hat er zwei Kandidaten, die sich am Freitag wechselseitig übertrafen.

Überhaupt habe Trainer Martin Schwalb am Freitag "alles richtig gemacht", bescheinigte Sportchef Christian Fitzek. Schwalb habe die Deckung gewinnbringend umgestellt, bei seiner Halbzeitansprache den treffenden Ton gefunden und eben bei den Torhütern gutes Gespür bewiesen. Am Ende war es Johannes Bitter, der mit drei außergewöhnlichen Reflexen zwei Punkte festhielt, "die nicht unbedingt eingeplant waren", wie der Nationalspieler einräumte.

Für den kommenden Mittwoch ist ein Sieg dagegen einkalkuliert: Im Zweitrunden-Pokalspiel geht es zum Regionalligaklub HSG Tarp-Wanderup (20 Uhr, Campushalle Flensburg).

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