Fast 200 000 Niederländer nehmen regelmäßig den Krummstock in die Hand - viermal so viele wie hierzulande. Die Liga lockt dank guter Gehälter auch viele deutsche Spieler an.

Amstelveen. Es ist diese grelle Farbe, die Julia Müller schon jetzt ein wenig Respekt einflößt. Orange. So weit das Auge reicht. Schals, Schirmmützen, Shirts: Müller weiß, dass das Wagener-Stadion im Amsterdamer Vorort Amstelveen am Sonnabend weitgehend Ton in Ton erstrahlen wird. Rund 10 000 Zuschauer fasst die geschichtsträchtige Hockeyarena. Die meisten von ihnen werden beim Finale um die Europameisterschaft (15.30 Uhr/Eurosport 2) gegen die deutschen Damen sein, wollen mit den favorisierten Niederländerinnen eine lautstarke Oranje-Party feiern. "Natürlich rechnen wir auch mit ein paar deutschen Fans", sagt die 23-Jährige. "Aber deren Fahnen werden kaum zu sehen sein."

Ihre Gegnerinnen auf dem Platz kennt die beim Harvestehuder THC aufgewachsene Verteidigerin nur zu gut. Seit zwei Jahren spielt die Hamburgerin selbst in den Niederlanden. "Nicht wegen des Geldes", wie sie betont, eher wegen der Qualität der Liga. Das kleine Zubrot sei aber durchaus angenehm. Anders als in Deutschland werden in der Hockey-Hochburg Holland vor allem bei den Männern durchaus hohe vierstellige Monatsgehälter gezahlt. Möglich machen dies Großsponsoren wie die Bank ABN Amro und die TV-Präsenz. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt NOS überträgt regelmäßig Ligaspiele live.

Auf der Suche nach Abwechslung, Auslandserfahrung und diversen Annehmlichkeiten zogen in den vergangenen Jahren immer wieder deutsche Topspieler ins Nachbarland. Die mittlerweile nach Mannheim zurückgekehrte Spielführerin der Damen, Fanny Rinne, lief schon für Den Haag auf, die Kölner Zeller-Brüder Christopher und Philipp bei den Herren in Bloemendaal. Julia Müller trägt in der "Hoofdklasse" das Trikot des MHC Laren, eines Klubs aus einer wohlhabenden Gemeinde mit rund 12 000 Einwohnern zwischen Utrecht und Amsterdam. "Wenn ich ehrlich bin, kannte ich anfangs noch nicht mal den Namen", sagt die 90-malige Nationalspielerin. "Ich wusste später nur, dass er in den vergangenen Jahren einer der erfolgreichsten Klubs war."

Müller, die zuletzt einen Master im Bereich Sportmanagement erwarb und irgendwann gern auch in diesem Bereich arbeiten würde, verlängerte kürzlich ihren Vertrag in Laren um ein Jahr. Sie will sich die Option auf eine Rückkehr nach Deutschland offenhalten. Langfristige Engagements der deutschen Hockeyspieler im Ausland sind trotz der Verlockungen ohnehin eine Seltenheit.

"Ich weiß, dass am Karriereende mein Geldhahn zugedreht ist, ich in den Jahren zuvor aber nicht so viel verdiene, dass es danach lange reicht", sagt Philipp Zeller. "Irgendwann muss man sich einfach verstärkt um Ausbildung und Beruf kümmern, weshalb ich dann nach Köln gegangen bin. Holland war aber eine echt tolle Erfahrung."

Selbst wenn die gut situierten Vereine das Geschehen in der Liga dominieren, ist Hockey dort nämlich ein Volkssport. Fast 200 000 Holländer nehmen regelmäßig den Krummstock in die Hand, das ungleich größere Deutschland kommt gerade mal auf ein Viertel davon. Die Basis für die Hockeybegeisterung sieht Philipp Zeller im breit gefächerten Sportinteresse der Niederländer. "Da wird auch schon mal ein Betriebsausflug zum Thema Hockey gemacht", erzählt der Verteidiger.

Zusätzlich wurden in den vergangenen Jahren landesweit bekannte Stars wie Taeke Taekema und Naomi van As aufgebaut, die nun als Vorbilder für den Nachwuchs herhalten. "In Laren gab es vor Kurzem sogar einen Aufnahmestopp von Kindern", berichtet Müller. "Während bei vielen deutschen Klubs nach Spielern gesucht wird, haben die hier pro Altersklasse sechs oder sieben Mannschaften."

Und so herrscht auch auf den etwa 20 Plätzen rund um das EM-Stadion in diesen Tagen ein ständiges Gewusel von Talenten, die es auch einmal in die Nationalmannschaft schaffen wollen. Auf den Straßen Amsterdams sind gefühlt an jeder Ecke Hockeykids auf Fahrrädern mit ihren Schlägern zu sehen. "Die haben am Ende dadurch eine viel größere Breite, aber zum Glück konnten wir mit unserer Spitze bisher gut dagegenhalten", sagt Müller. So wie 2007 bei der EM in Manchester, als die deutschen Damen den Niederländerinnen mit einem 2:0 im Finale einen Strich durch die Partyplanungen machten.

In der Abstiegsrunde der Herren kam es am Freitag zu einem Hamburger Duell: Österreich unterlag trotz eines Tores von Benjamin Stanzl (HTHC) den Franzosen um Christoph Amend (UHC) 2:3.