Der Hamburger spricht über fehlende Ikonen, 1899 Hoffenheim, lustlose Professoren, Elitesport und seine Erwartungen für die Titelkämpfe.

Abendblatt:

Herr Behrmann, nach Platz vier der deutschen Hockeydamen bei Olympia in Peking gab es viel Kritik an Ihrer Person. Teilweise war sogar von einer Revolte der Spielerinnen die Rede. Warum betreuen Sie das Team trotzdem bei der an diesem Wochenende beginnenden EM?

Michael Behrmann:

In erster Linie, weil sich das Präsidium des Verbandes hinter mich gestellt hat und mittlerweile die größten Differenzen ausgeräumt sind. Darüber hinaus glaube ich, dass vieles, was gegen mich vorgebracht wurde, nicht sachgerecht war. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Abendblatt:

Sie haben einmal gesagt, dass man Ihnen die Zeit geben müsse, um gut zu werden. Muss man nicht als Bundestrainer schon sehr gut sein?

Behrmann:

Ich hatte 2000 angefangen, bei Großflottbek eine Bundesligamannschaft zu trainieren, vier Jahre später wurde ich U-21-Trainer und zwei Jahre später zum Nationalcoach berufen. Andere werden Bundestrainer mit Mitte 50, ich war Mitte 30. Insofern denke ich schon, dass ich mich noch entwickeln darf.

Abendblatt:

Sie wirken oft, als ob Sie unter großem Druck stehen. Haben Sie Spaß an Ihrem Job?

Behrmann:

Ich bin in der glücklichen Situation, mit der schönsten Sportart der Welt meinen Unterhalt zu verdienen. Ich muss allerdings viele Dinge machen, die meiner Meinung nach nicht Sache des Bundestrainers sind. Durch die ganze Organisation geht viel Zeit verloren, die ich lieber in die Arbeit mit der Mannschaft investieren würde. Für andere Strukturen fehlen aber einfach die finanziellen Mittel.

Abendblatt:

Sportlich war das deutsche Hockey in den vergangenen Jahren erfolgreich wie nie. Warum ist dennoch nicht genug Geld vorhanden?

Behrmann:

Das frage ich mich schon lange. Vielleicht müssten wir uns bei der Vermarktung noch mehr ein Beispiel an den Holländern nehmen. Die haben Ikonen, die überall auf Plakaten zu sehen sind. Bei den Frauen haben sie zum Beispiel Naomi van As aufgebaut. Wo die hinkommt, schreien die Kids jetzt nach Naomi. Meine Spielerinnen wird auf der Straße wahrscheinlich kein Mensch erkennen.

Abendblatt:

Ärgert es Sie immer noch, dass der Hockeysport in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird?

Behrmann:

Irgendwann muss man es akzeptieren. Es hat auch Vorteile, nicht jeden Tag im Fokus zu stehen. Vielleicht braucht man Skandale, um ins Gespräch zu kommen. Den größten Hype gab es bisher, als der Hockeytrainer Bernhard Peters Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund werden sollte.

Abendblatt:

Haben Sie das als Werbung für Ihren Sport verstanden oder hat Sie das eher geärgert?

Behrmann:

Es war noch nie so oft das Wort Hockey in der Presse. Man hat damals auf jeden Fall transportieren können, dass bei uns auf sportwissenschaftlich neuestem Stand gearbeitet wird. Die Spielweise und sportlichen Rahmenbedingungen von Hoffenheim in der letzten Saison waren ja auch in Teilen Bernhard zuzuschreiben, der Elemente aus dem Hockey eingebracht hat.

Abendblatt:

Welche?

Behrmann:

Ich glaube, dass die wenigsten Fußballvereine schon in der Halbzeit eine Videoanalyse machen. In Hoffenheim gibt es das, genauso wie aus dem Hockey stammende taktische Elemente oder eine andere Art von Aufwärmtraining. Auch die Zusammensetzung des Trainerstabs trägt deutlich die Handschrift eines Hockey-Bundestrainers.

Abendblatt:

Sind Sie Peters eigentlich zu Dank verpflichtet, dass er den Schritt zum Fußball und damit den Weg für Sie zum Bundestrainer freigemacht hat?

Behrmann:

Ich bin ihm insofern zu Dank verpflichtet, dass ich sehr viel von ihm gelernt habe. Ansonsten hätte ich keine Probleme damit gehabt, auch noch länger den U-21-Trainer zu geben. Eigentlich ging das alles sehr schnell. Mit mehr Erfahrung hätte ich vielleicht auch bei Olympia manche Dinge anders gemacht.

Abendblatt:

Welchen Stellenwert hat nun für Sie die EM?

Behrmann:

Einen sehr großen, es ist für uns das wichtigste Turnier des Jahres. Die Zielvereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund lautet, dass wir ins Finale kommen müssen. Die Holländerinnen sind sicher ein Stückchen besser als wir. Alle anderen können wir schlagen; und an einem guten Tag auch die Niederlande, das haben wir bei der EM vor zwei Jahren bewiesen.

Abendblatt:

Wie waren Sie mit der der Vorbereitung zufrieden?

Behrmann:

Die Ergebnisse waren natürlich nicht berauschend. Wir haben teilweise inspirationslos gespielt. Unter dem Strich muss man leider feststellen, dass wir im Moment keine Mannschaft locker wegspielen können.

Abendblatt:

Warum ist die Dominanz vergangener Jahre nicht mehr vorhanden?

Behrmann:

Welche Dominanz? Wir hatten 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen einen riesigen Erfolg mit dem Gewinn der Goldmedaille. 2007 gewannen wir erstmalig die Europameisterschaft. Damit kann man aber noch nicht von einer Dominanz im Damenbereich sprechen. Weiterhin beobachten wir, dass in vielen anderen Nationen unheimlich investiert wird. Die Australierinnen holen alle ihre Nationalspielerinnen nach Perth und trainieren da mehrere Monate im Jahr täglich zusammen, die Holländer haben in ihrem kleinen Land kurze Wege und können deshalb zweimal die Woche gemeinsam trainieren. Auf so eine Häufigkeit kommen wir mit unseren Lehrgängen nicht.

Abendblatt:

Wäre denn in Deutschland die Bereitschaft da, häufiger zentral zu trainieren?

Behrmann:

Darüber haben wir zuletzt mit den Spielerinnen diskutiert. Das auch von mir favorisierte Modell wäre, zwei Stützpunkte in Deutschland zu schaffen. Wenn allerdings die Uni oder die Arbeit streikt, wenn jemand da jeden Dienstag hin will, wird es schwierig. Die ganz jungen Nachwuchstalente, wie Jana Teschke vom UHC, gehen sogar noch zur Schule. Die bekomme ich auch nicht jeden Dienstag raus.

Abendblatt:

Ist das deutsche Bildungssystem leistungssportfeindlich?

Behrmann:

Feindlich nicht. Es gibt ja ein paar Kooperationen zwischen Universitäten und Olympiastützpunkten. Aber wenn es wirklich hart auf hart kommt, sagt mancher Professor, dass er keine Lust hat, eine extra Klausur schreiben zu lassen. In solchen Fällen kann ich dann als Bundestrainer nur sagen: Bleib zuhause.

Abendblatt:

Vermissen Sie die Arbeit als Vereinstrainer?

Behrmann:

Ich habe zuletzt noch nebenbei eine Jugendmannschaft bei Flottbek betreut. Momentan bin ich froh, wenn ich auch mal was mit meinen Kindern untenehmen kann. Man kommt kaum zum Luftholen.

Abendblatt:

Sehnen Sie sich in den Alltag eines Versicherungskaufmannes, also in Ihren gelernten Beruf, zurück?

Behrmann:

Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Wenn ich als Trainer zu Hause bin, kann ich mir meine Arbeitszeit relativ frei einteilen. Auf der anderen Seite hat der Bürokaufmann seine Wochenenden und ich eben häufig nicht. Zurückgesehnt habe ich mich aber noch nie!

Abendblatt:

Gehen Sie noch mit Freude auf den Hockeyplatz und schauen sich Ligaspiele an?

Behrmann:

Ich habe den Vorteil, dass ich mir die meisten Mannschaften hier in Hamburg anschauen kann. Wirklich neue Erkenntnisse bringen die Spiele aber meist nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass die Liga anders als bei den Männern doch einen deutlichen Schritt weg vom Niveau bei internationalen Vergleichen ist.

Abendblatt:

Dem Hockey haftet ein elitäres Image an. Zu unrecht?

Behrmann:

Wenn man bei manchen Klubs die Beiträge sieht, muss ich mir Gedanken machen, wie ich das für meine Kinder irgendwann finanzieren kann. Es gibt aber auch Vereine, die einen preisgünstigeren Einstieg ermöglichen. Und Talente werden auch dort entdeckt.