Wie sich die Hamburger auf den großen Wurf vorbereiten: Neue Strukturen - “so gut waren wir noch nie“, sagt Kapitän Guillaume Gille.

Hamburg. An seinem ersten freien Tag in Hamburg konnte man Igor Vori gemeinsam mit Kerstin Lieb und Julia Ninic in der Innenstadt antreffen. Die beiden HSV-Mitarbeiterinnen helfen dem kroatischen Weltklassehandballer bei der Suche nach einer Bleibe. Noch ist das richtige Objekt nicht dabei gewesen, aber das findet sich.

Sportlich hat Vori (28) ganze sechs Trainingstage und zwei Testspiele gebraucht, um seinen Platz in der Hamburger Bundesligamannschaft zu finden und den sportlichen Leiter Christian Fitzek zum Schwärmen zu bringen: "Ein toller Typ. Er wird uns ein ganzes Stück weiterbringen."

Der 2,03 m lange Kreisläufer könnte ebenjene Ergänzung sein, die dem HSV zum ganz großen Wurf gefehlt hat. "Auf dem Papier", sagt Kapitän Guillaume Gille, "ist dieser HSV der beste, den es je gab." Er ist, auch wenn sich die angestrebte sofortige Verpflichtung von Voris Landsmann Domagoj Duvnjak (21) zerschlagen sollte, allemal gut genug, um einen Titel zu gewinnen.

Das aber war er in den vergangenen beiden Jahren auch. Am Ende sah man den anderen beim Feiern zu. Man ist deshalb vorsichtig geworden mit forschen Ankündigungen für diese Saison, die am 1. September mit dem Super-Cup gegen Kiel in Nürnberg eröffnet wird. Sie sind schon deshalb nicht zu vernehmen, weil sich HSV-Präsident Andreas Rudolph im Umgang mit der Öffentlichkeit selbst Zurückhaltung verordnet hat.

Sie ist eine der Lehren, die man aus dem grandiosen Scheitern in der Pokalendrunde gezogen hat. Die deprimierende 27:35-Niederlage im Mai im Halbfinale gegen den VfL Gummersbach sei, rückblickend betrachtet, ein heilsamer Schock gewesen, glaubt Fitzek: "Der ganze Verein ist durchgeschüttelt worden, das hat uns gut getan." Die Nachwirkungen seien bereits in der vergangenen Woche beim Trainingslager zu besichtigen gewesen, von dem der frühere Nationalspieler Fitzek sagt, dass es "eins der besten war, die ich je erlebt habe. Da sind alle über ihre Schmerzgrenze gegangen."

Rudolph wird es gern vernehmen. Der Präsident, Geschäftsführer und Mäzen ist von jeher überzeugt davon, dass in jedem Einzelnen seiner Angestellten, egal ob Spieler, Betreuer oder Mitarbeiter, stille Reserven schlummern. Immer wieder hat Rudolph versucht, sie herauszukitzeln: Er hat zwei Trainer ausgetauscht, flammende Appelle gesprochen, Prämien ausgelobt, mit Rücktritt gedroht - alles ohne den ganz großen Erfolg.

Nun hat Rudolph seine Amtsführung offenbar überdacht: War er es bisher gewohnt, alle Entscheidungen weitgehend allein zu fällen, delegiert er nun, ähnlich wie in seinen erfolgreichen Medizinunternehmen, mehr Verantwortung auf die Führungskräfte. Die sollen nun mit ihren Aufgaben wachsen. Ende Juni wurden bei einer zweitägigen Klausurtagung in Jesteburg die Zuständigkeiten im Verein neu gegliedert. "Jeder weiß jetzt um sein Geschäftsfeld und kann über das entsprechende Budget autonom verfügen", sagt Fitzek. Der Verein, so scheint es, hat sich für den Angriff auf den Titel neu aufgestellt. Die Mannschaft ist es bereits. Anders als im Olympiajahr 2008 kann Trainer Martin Schwalb eine Saisonvorbereitung machen, die diesen Namen auch verdient. Der krebskranke Oleg Velyky ist auf dem Weg zu alter Stärke. Einzig Pascal Hens fehlt verletzt. Zwei Talente, Marcel Schliedermann und Maximilian Ginders, sorgen für frischen Wind, ein drittes, der Kreisläufer Robert Schulze (18), stößt heute vom Regionalligisten Insel Usedom dazu. "Wir haben eine deutlich bessere Chance als letzte Saison", sagt Fitzek. Da wurde man am Ende Vizemeister.

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