An dem Ort, an dem vor 59 Jahren die Wiege der Formel 1 stand, ist das Ende der Grand-Prix-Weltmeisterschaft in ihrer bisherigen Form eingeläutet worden.

Silverstone. - Acht von zehn Rennställen, darunter alle großen, haben in Silverstone angekündigt, im nächsten Jahr in einer eigenen Serie zu fahren. Die Königsklasse steht vor der Spaltung. Formel 1 - Anfang oder Ende?

Im Dämmerlicht vor der Renault-Rennfabrik nahe Oxford hoppelten Hasen über die Wiese. Ein trügerisches Idyll, denn drinnen beschloss die Formel-1-Rennstallgemeinschaft FOTA bei ihrer entscheidenden Sitzung im seit September andauernden Streit um die Zukunft der Königsklasse gerade drastische Maßnahmen. An dem Abend, bevor die Einschreibefrist des Automobilweltverbandes FIA für die WM-Saison 2010 endete, wurden alle Kompromisse verworfen.

Der Machtkampf zwischen den von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo angeführten Teams und FIA-Präsident Max Mosley ist durch das am Freitag um ein Uhr früh veröffentlichte Positionspapier eskaliert. Es gibt keinen Kompromiss in Sachen künftiges Reglement, vor allem nicht um die Budgetobergrenze von 45 Millionen Euro und deren Kontrolle.

Die Rennställe BMW-Sauber, Brawn GP, Ferrari, McLaren-Mercedes, Red Bull, Renault, Toro Rosso und Toyota beklagen gemeinschaftlich, dass die FIA die Wünsche eines Großteils der Formel-1-Teilnehmer ignoriert habe, außerdem seien mehrere Millionen Dollar Anteile aus Vermarktungsgeldern nicht bezahlt worden: "Deshalb will sich die FOTA auf keine weiteren Kompromisse mehr bei den fundamentalen Grundwerten der Formel 1 einlassen."

Als Konsequenz wurden nicht nur die Meldungen unter Vorbehalt für 2010 zurückgezogen: "Die Teams haben somit keine andere Alternative, als die Vorbereitungen für eine neue Meisterschaft voranzutreiben. Eine Meisterschaft, die die wahren Werte der Teilnehmer und Partner darstellt." Aber für das Kind gibt es momentan nicht mal einen Namen, zur Jahrtausendwende gab es die Idee eines Ausbruchs namens "Formel Gold". Sie scheiterte später an der Uneinigkeit der PS-Revoluzzer.

Plötzlich fühlen sich die Teams stark und einig wie nie, aus diesem Selbstbewusstsein heraus formulieren sie einen Idealzustand - transparente Führung, ein einziges Reglement, neue Teilnehmer, Wünsche der Fans respektieren, Preise senken. Eine Art internationale DTM. Nur: Wie, wo und was genau laufen soll, dafür gibt es keinen richtigen Plan. "Wir können nicht immer nur knurren, wir müssen auch mal bellen", sagt ein Sitzungsteilnehmer. Des einzigen, aber größten Druckmittels sind sie sich bewusst: Die besten und bekanntesten Rennfahrer und die populärsten Teams und Marken sind in dieser "Piratenserie" am Start. Obwohl durch das Thesenpapier die Spaltung offiziell betoniert ist, handelt es sich gleichzeitig um einen letzten, massiven Versuch, die FIA per Drohgebärde doch noch zu Verhandlungen zu zwingen. "Die beste Wahl wäre immer die, nur eine Formel zu haben", sagt ein Manager. Der Ärger kann weitergehen: Die FOTA will dafür sorgen, dass Max Mosley als "Zerstörer" der Formel 1 untragbar in seiner Funktionärsrolle wird und kommenden Mittwoch bei der Sitzung des FIA-Weltrats abgewählt werden kann. Falls das nicht klappt, stehen die Automobilhersteller unter dem Druck, innerhalb eines Dreivierteljahres eine Gegen-Formel zu konzipieren, die besser ist als die bisherige Serie - ganz abgesehen von der drohenden juristischen Schlammschlacht und den enormen wirtschaftlichen Problemen.

"Wir sind enttäuscht, aber nicht überrascht", schrieb die FIA am Morgen den Aussteigern zurück und argumentiert moralisch: "Wir können kein totales Wettrüsten zulassen."

Mosley und Vermarkter Bernie Ecclestone, dem nun aus eigenem Interesse eine entscheidende Rolle zukommt, eilten ins Fahrerlager nach Silverstone. Die Mienen angespannt, die üblichen Taktiken haben bisher nicht funktioniert. Die Risiken der insgesamt undurchsichtigen Manöver sind für beide Seiten immens, größer als die Chancen: Die FIA, die bislang nur Williams und Force India von den bisherigen Teilnehmern fix nennen kann, behält zwar den Namen und das Prädikat Formel 1, aber bietet unter diesem Deckmantel ein No-Name-Produkt an. Die für heute vorgesehene Nennung der 13 WM-Teilnehmer für 2010 wurde ausgesetzt. Von den ursprünglich 15 Kandidaten wurden am Ende nur fünf für "würdig" befunden und bislang drei zugelassen. Offiziell begründet wird die Verzögerung der Meldeliste mit den eingeleiteten rechtlichen Schritten der FIA gegen die FOTA-Teams, insbesondere Ferrari. Aufgrund alter Vereinbarungen sieht der Weltverband eine Teilnahmeverpflichtung für die Saison 2010. Das ist erst der Beginn einer juristischen Schlammschlacht.

Es ist davon auszugehen, dass die FIA Ferrari, Red Bull und Toro Rosso wegen individueller Vermarktungsverträge gegen den Willen der Teams einschreiben wird. Die Hersteller hingegen müssen neue Strecken und Konzepte finden und dabei ihre Einigkeit behandeln. Und die Zuschauer? Die sind vom monatelangen Machtkampf der alten Herren ohnehin genervt, die das Krisenszenario dazu benutzen, persönliche Rechnungen zu begleichen. Nicht nur Niki Lauda wittert einen "Totalschaden".