Ein Jahr nach ihrem Rücktritt spricht die ehemalige Box-Weltmeisterin über ihre Nachfolgerinnen, neue Betätigungsfelder und die Bedingung für eine Rückkehr in den Ring. Hier geht’s zur Bildergalerie.

Abendblatt:

Frau Halmich, am Sonntag jährt sich Ihr Rücktritt vom aktiven Boxsport zum ersten Mal. Wie oft haben Sie diesen Schritt schon bereut?

Regina Halmich:

Noch nie. Meine Erwartungen an mein Leben nach dem Sport haben sich mehr als erfüllt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel zu tun haben würde. Ich bin mehr unterwegs als früher, als ich als Ausrede immer sagen konnte, dass ich trainieren müsste. Das geht nicht mehr. Ich bin also mehr als ausgelastet. Für Wettkämpfe hätte ich gar keine Zeit mehr.



Abendblatt:

Sie wollen uns weismachen, dass Sie das Boxen gar nicht vermissen?

Halmich:

Die Wettkampfvorbereitung fehlt mir schon, aber das war mir vorher klar. Ich brauche Bewegung, mache viermal pro Woche Sport. Ich laufe, mache Krafttraining, Fitness, aber ich quäle mich nicht mehr, gehe nicht mehr über meine Grenzen hinaus. Die Handschuhe habe ich tatsächlich seit einem Jahr nicht mehr angezogen. Da habe ich mich noch nicht herangetraut.



Abendblatt:

Haben Sie Sorge, von der "Sucht" eingeholt zu werden?

Halmich:

Ja, schon. Denn ich weiß, dass mich Sandsack-Training nicht befriedigt. Dann würde ich schnell wieder Sparring machen wollen, und dann wäre der Schritt zum Wettkampf nicht weit. Und das will ich nicht mehr. Ich bin sehr zufrieden damit, wie mein Leben derzeit läuft.

Abendblatt:

Sie sind auf vielen verschiedenen Feldern unterwegs. Wie würden Sie Ihren derzeitigen Beruf beschreiben?

Halmich:

Ich nenne mich in erster Linie Geschäftsfrau, weil ich in so vielen verschiedenen Bereichen tätig bin. Anfang des kommenden Jahres kommt ein Fitnessvideo heraus, das ich in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Sportwissenschaftler Christian Görisch entwickelt habe. Außerdem kommt im Frühjahr 2009 ein Dokumentarfilm über mein Leben im ZDF, der den Hessischen Filmpreis gewonnen hat. Ich engagiere mich karitativ, beim "Bündnis für Straßenkinder" und beim "Gutshof Aiderbichl", der Tieren in Not hilft. Dazu moderiere ich viel, zum Beispiel die Boxveranstaltungen bei ProSieben, aber auch kleinere Shows, die nicht im Fernsehen laufen. Die Angebote sind immens. Was erstaunlich ist: Ich bekomme noch viel mehr Anfragen von Sponsoren als in meiner aktiven Zeit. Da merkt man, dass es gegen das Boxen noch immer Vorbehalte gibt. Als Geschäftsfrau bin ich attraktiver als als Boxerin. Das hat mich schon verwundert, aber natürlich freut es mich auch.



Abendblatt:

Sie könnten versuchen, diese Vorbehalte weiter abzubauen, indem Sie ein Amt im Boxsport übernehmen. Ihr früherer Promoter Klaus-Peter Kohl hat Sie mal als Frauen-Beauftragte ins Gespräch gebracht. Wäre das etwas für Sie?

Halmich:

Anfang Dezember setze ich mich mit Herrn Kohl zusammen, um zu besprechen, was es für Möglichkeiten geben kann. Mein Herz hängt natürlich noch am Boxen, und die Verbindung zu Universum ist weiterhin intensiv. Ich schaue jeden Kampf.



Abendblatt:

Und, wie gefallen Ihnen Ihre Nachfolgerinnen?

Halmich:

Sehr gut. Ich habe immer gesagt, dass die alle gut boxen können. Dass es keine zweite Regina Halmich geben wird, ist klar. Aber das soll es ja auch gar nicht. Man tut den Mädels keinen Gefallen, wenn man sie mit mir vergleicht. Die sollen doch eigenständige Sportlerinnen werden.



Abendblatt:

Und wen wünschen Sie sich als neue Box-Queen?

Halmich:

Es ist bekannt, dass mir Susi Kentikian und Alesia Graf freundschaftlich besonders nah stehen. Aber ich wünsche mir niemanden, sondern denke, dass man diese Entscheidung den Fans überlassen muss.



Abendblatt:

Die Fans feiern Sie in jeder Halle, in der Sie auftauchen. Ist Ihnen der Abschied auch deshalb leicht gefallen, weil Sie noch im Rampenlicht stehen?

Halmich:

Das hat es sicherlich einfacher gemacht, ja. Es ist schön zu spüren, dass man nicht vergessen ist, und dass es viele gibt, die sich für mich interessieren und mit mir arbeiten wollen. Allerdings war die Prominenz nie mein Hauptaugenmerk. Ich muss nicht auf jeder Gala sein. Wichtig ist mir vor allem, dass sich mein Privatleben nicht verändert hat.



Abendblatt:

Sie leben in Karlsruhe, sind aber viel mehr in Berlin. Was hält Sie in Ihrer Heimatstadt?

Halmich:

Mein Freund Andreas, der hier seinen Job hat. Mein Herz hängt zur Hälfte an Berlin, das ist wahr. Aber Andreas und ich schätzen die Form unserer Beziehung. Auch mal unterwegs zu sein hält das Leben interessant. Man hat sich dann viel mehr zu erzählen.



Abendblatt:

Eine Familie lässt sich so aber nur schwer gründen.

Halmich:

Das stimmt, und das ist derzeit deshalb auch kein Thema. Ich halte nichts davon, Kinder in die Welt zu setzen und die dann einer Nanny zu überlassen. Meine Uhr tickt nicht, deshalb habe ich mich zunächst für die Karriere entschieden. Ich lebe von der Spontaneität des Freiberuflers, und das gefällt mir.



Abendblatt:

Haben Sie sich nach dem Ende Ihrer Karriere einen besonderen Wunsch erfüllt?

Halmich:

Nein, ich habe mir auch früher schon Wünsche erfüllt, nie asketisch gelebt. Mein einziger Luxus ist, dass ich mir meine Zeit frei einteilen kann und nur das tue, was mir wirklich Spaß macht. Ich mache ein paar Sachen richtig, suche mir raus, was zu mir passt. Das finde ich toll.



Abendblatt:

Sie wollten sich eigentlich Ihre Nase richten lassen...

Halmich:

Ja, das stimmt, das hatte ich fest vor. Aber dazu hatte ich noch keine Zeit. Das dauert mit allem Drum und Dran zwei Wochen, und die habe ich noch nicht erübrigen können.



Abendblatt:

Vielleicht auch, weil Sie doch mit einer Rückkehr rechnen? Was müsste passieren, dass Sie zurückkommen?

Halmich:

Dann müsste jemand eine unverschämte Summe bieten. Sportlich habe ich nichts mehr zu beweisen.



Abendblatt:

Wie viele ernsthafte Angebote für ein Comeback gab es im vergangenen Jahr?

Halmich:

Es wurde schon öfter darüber geredet und geflachst. Aber niemand hat je versucht, mich zu überreden. Auch, weil ich immer klar gesagt habe, dass das Kapitel für mich beendet ist. Wenn ich pleite wäre, wäre es eine andere Situation. Aber ich habe immer solide gelebt und bin gut situiert. Deshalb gibt es für mich kein Zurück.



Abendblatt:

Machen Sie am Sonntag denn etwas Besonderes?

Halmich:

Wahrscheinlich stoße ich mit meiner Familie bei einem Glas Sekt an. Es ist kein besonderer Tag für mich, denn ich bin weder froh noch traurig, dass die Karriere vorbei ist. Wenn man sein neues Leben akzeptiert, dann ist der Abschied nicht schlimm.



Eine ausführliche Bildergalerie von Regina Halmich finden Sie auf www.abendblatt.de/sport