Löw holt drei Neue für das England-Match am 19. November: Mit Compper und Weis kommen zwei Spieler des Bundesliga-Aufsteigers und Schäfer aus Wolfsburg in die Fußball-Nationalmannschaft. Dafür werden Ballack, Frings und Metzelder nicht mitspielen.

Frankfurt/Main. Kein Ballack, kein Frings, kein Metzelder - aber dafür gleich drei Neulinge: Mit einer überraschenden Debütanten- Welle hat Joachim Löw seinen neuen, harten Kurs fortgesetzt und manch etablierten Kräften zum Jahresabschluss nochmals einen deutlichen Denkzettel verpasst. Mit der erstmaligen Nominierung von Marvin Compper und Daniel Weiß vom Bundesliga-Aufsteiger 1899 Hoffenheim und Marcel Schäfer vom VfL Wolfsburg gab der Bundestrainer nach den Krisenwochen ausgerechnet für den Fußball-Klassiker gegen England am 19. November (20.45 Uhr/ZDF) im Berliner Olympiastadion ein deutliches Signal. Beim Wettkampf um die WM-Plätze gibt es in der Nationalmannschaft keine Erbhöfe mehr - und vor unerwarteten Personalentscheidungen wird nicht zurückgeschreckt.

"Wir wollen das letzte Spiel des Jahres noch einmal dazu nutzen, um das eine oder andere auszuprobieren und für das neue Jahr entsprechende Eindrücke zu gewinnen", sagte Löw in einer vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verbreiteten Pressemitteilung. Die Auswahl seiner Premieren-Akteure begründete der Bundestrainer kurz und knapp: "Die drei Neulinge haben die Nominierung durch ihre Leistungen verdient", sagte Löw. Ein Ausrufezeichen ist die Berufung in jedem Fall - und auch eine Anerkennung der guten Leistungen von Aufsteiger Hoffenheim.

Für das Fehlen seiner in Krisengesprächen auf Kurs gebrachten Kritiker Ballack und Frings konnte Löw plausible Begründungen bieten. Im Fall Frings bestand allerdings ein Widerspruch zwischen den Aussagen des Profis und des Bundestrainers. Während Frings betonte, er habe von sich aus auf einen Einsatz gegen England wegen des "zuletzt entstandenen Theaters" verzichtet, sagte Löw im "DFB-TV": "Ich habe ihm gesagt, dass ich für dieses Spiel ohne ihn plane." Bei einem Formanstieg sei er künftig aber wieder ein "Bestandteil der Mannschaft". Ballack ist nach seinen Fußoperationen Mitte Oktober offenbar weiterhin nicht einsatzfähig, obwohl der Heilungsverlauf laut ursprünglicher Diagnose schon abgeschlossen sein sollte. "Er ist noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte", sagte Löw.

Beide zuletzt aufmüpfigen Platzhirsche werden dennoch nach Berlin reisen. Als maßgebliche Mitglieder des Mannschaftsrates werden sie am Montag mit DFB-Präsident Theo Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach über die Prämien für die bereits laufende WM-Qualifikation verhandeln. Auch der lange verletzte - und deshalb nicht nominierte - Philipp Lahm wird aus diesem Grund zum DFB-Tross stoßen.

Das Trio wird wie die 20 Spieler im England-Kader - zu denen auch wieder die zuletzt nicht berücksichtigten Andreas Hinkel und Marko Marin gehören - auch der Grundsatzrede des Bundestrainers lauschen müssen. Löw will nach den Querelen der vergangenen Wochen in einer Ansprache "seine Erwartungen für die nächsten Spiele auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Südafrika" darlegen, hieß es in der Verbandserklärung. Mit deutlichen Worten des Chefcoaches ist im DFB-Quartier zu rechnen. "Das wird keine Aussprache, sondern eine Ansprache!", stellte er unmissverständlich fest.

Compper, Weis und Schäfer werden bei ihrem ersten Auftritt bei der DFB-Eliteauswahl gleich den neuen Stil des Bundestrainers erleben. Andere haben bei Löw derzeit offenbar schlechtere Karten. Metzelder zum Beispiel. Der Spanien-Legionär kommt bei Real Madrid nicht voran. Seine im Oktober selbst auferlegte Länderspielpause wird nun von Löw kommentarlos verlängert. Tim Borowski verhalfen auch seine guten Auftritte beim FC Bayern zu einer Rückkehr.

Der durch die Suspendierung von Kevin Kuranyi frei gewordene fünfte Platz im Sturm blieb unbesetzt, obwohl Löw Experimente angekündigt hatte. Der Leverkusener Stefan Kießling - allgemein als erster Kandidat gehandelt - fand keine Berücksichtigung. Auch auf die Berufung eines dritten Torhüters verzichtete Löw. Rene Adler und Tim Wiese bekommen vorerst keine Konkurrenz.

Compper und Weis waren vor dem furiosen Hoffenheimer Bundesliga- Wirbel weitgehend unbekannt. Der 23 Jahre alte Compper wurde von Löw als "einer von unseren jungen und entwicklungsfähigen Spielern" bezeichnet. Der gleichaltrige Weis biete sich als eine "Alternative für die etablierten Spieler im Mittelfeld an" - also auch für Frings und Ballack.

Schäfer habe "sein Talent eindrucksvoll unter Beweis gestellt". Der 24 Jahre alte Wolfsburger kann sich nach dem Ausfall der Linksverteidiger Lahm, Christian Pander und Marcell Jansen sogar Hoffnungen auf den Einsatz in der Startformation machen. "Bei so einem Klassiker dabei sein zu dürfen, ist ein Traum", meinte Schäfer.