Hätte die Leistung der HSV-Profis in Hannover gestimmt, wäre gestern Zeit gewesen für einen Einkaufsbummel oder einen Familientag. Nach dem 0:3...

Hamburg. Hätte die Leistung der HSV-Profis in Hannover gestimmt, wäre gestern Zeit gewesen für einen Einkaufsbummel oder einen Familientag. Nach dem 0:3 jedoch hieß das Programm von Martin Jol: 60 + 106.

Ungewöhnlich lange 60 Minuten benötigte der HSV-Trainer bei seiner Videoanalyse, um den Verlierern ihre (vielen) Fehler zu zeigen und Besserungsvorschläge zu machen. Einzig Paolo Guerrero, der auch ein gutes Anschauungsobjekt gewesen wäre, fehlte. Der nach 30 Minuten ausgewechselte Peruaner weilte bei der Kernspintomografie, obwohl Jol am Wochenende betont hatte, seinen Angreifer ausschließlich wegen dessen schwacher Leistung wieder vom Platz geholt zu haben. "Nein", stellte gestern Sportchef Dietmar Beiersdorfer klar, "Paolo hatte schon vor dem Spiel Probleme. Das spiegelte sich letztlich in der schwachen Leistung wider."

Jols Wut über das in Hannover Gezeigte spiegelte sich dann - nur die Länge betreffend - in der 106-minütigen Trainingseinheit wider.

In drei Gruppen aufgeteilt, absolvierten die Gescholtenen eine lange Aufwärmphase, ehe Jol ein Übungsspiel ansetzte. Hierbei ließ der HSV-Trainer bewusst die Stammelf gegen die Reservisten sowie einige A-Jugendliche spielen. Jol machte sich durchgehend Notizen und unterbrach die Einheit immer wieder. "Mehr Tempo!", forderte der sichtlich unzufriedene Niederländer wiederholt, gestikulierte dabei wild und appellierte an die Einstellung seiner Spieler.

Erst als die Stammelf eine 3:0-Führung herausgespielt hatte, durften Mannschaftskapitän David Jarolim und Co. nach 90 Minuten zum Duschen. Die Reservisten inklusive Thiago Neves, Jonathan Pitroipa, Jerome Boateng sowie des genesenen Marcell Jansen absolvierten abschließend noch eine laufintensive Zweikampfübung über den ganzen Platz.

Klare Ansätze, einzelne Mängel auszumerzen, waren allerdings nicht zu erkennen. Standards, direktes Zweikampfverhalten oder Spielformen standen nicht auf dem Programm.

"Es gibt nicht ein Heilmittel, sondern es müssen mehrere Ansätze gefunden werden", sagte Beiersdorfer, der das Training am Spielfeldrand aufmerksam verfolgte und einige Mängel auch auf die hohe Belastung einiger Akteure zurückführte. "Vor allem die Nationalspieler befinden sich momentan am Zenit ihrer Belastung. Das wiederum führt dann dazu, dass wir nicht von Beginn an die nötige Präsenz zeigen."

Die Souveränität der Vorsaison, so Beiersdorfer, sei "ein Stück weit abhandengekommen. Uns fehlt auf dem Platz die richtige Balance."

Er und Jol werden besonders in dieser Phase darauf achten, ob jeder bereit ist, charakterlich die richtige Reaktion zu zeigen. "Die Spieler müssen weit denken", fordert Jol, "alle werden in dieser sehr langen Saison noch gebraucht. Dennis Aogo ist ein gutes Beispiel. Aber es kommen nur die ins Spiel, die vorher die richtige Einstellung gezeigt haben."

Einer, der die Zeichen erkannt hat, ist Jerome Boateng. Der U-21-Nationalspieler hatte öffentlich sein Reservistendasein beklagt, jetzt will er das klärende Gespräch suchen.