Am Sonntagmorgen um 10.15 Uhr war das Kapitel Hamburg für Tony Thompson beendet.

Hamburg. Gemeinsam mit Ehefrau Sydnee und seinem Team verließ der geschlagene Herausforderer gegen 7.30 Uhr das Hotel Maritim Reichshof am Hauptbahnhof. Knapp drei Stunden später hob die Lufthansa-Maschine LH 011 von Fuhlsbüttel ab, über Frankfurt am Main ging es für den US-Amerikaner in seine Heimat Washington D. C., wo die sieben Kinder schon warteten. Daddy hatte ihnen für den Fall eines Sieges einen Besuch bei Disneyworld versprochen - und weil die Kinder nichts dafür konnten, dass es zum Triumph nicht gereicht hatte, wollte der 36-Jährige sein Versprechen trotzdem halten. "Ich habe meine Kids zwei Monate lang nicht gesehen. Das war sehr hart, deshalb haben wir uns alle eine Belohnung verdient", sagte er.

Vergessen waren die bitteren Tränen der Enttäuschung, die er noch im Ring, an der Schulter seines Bruders Donald lehnend, vergossen hatte. Schon um 3.30 Uhr auf der Privatparty, die das Hotel für die Boxer ausgerichtet hatte, hatte Thompson versucht, das Positive seines couragierten Auftritts zu sehen. "Ich habe gegen den besten Schwergewichtler der Welt verloren. Und es ist doch nicht schlecht, zu den besten fünf Männern in dieser Klasse zu gehören", sagte er.

Den Zorn seiner aufgebrachten Ehefrau ("Wenn Tony gewusst hätte, dass Klitschko nur klammert, hätte er sich auf ein Wrestling-Match vorbereitet") wollte der 196 cm lange und 112,3 kg schwere Athlet nicht teilen. "Wladimir war der klar bessere Mann, er hat seine Strategie durchgesetzt", sagte er. Nach dem Knockout war er, sichtlich angeschlagen, hinter Klitschko hergetapst und hatte ihm ins Ohr gesagt: "Du bist der beste Boxer der Welt, ganz egal, was die Kritiker sagen." Dieser menschlichen und sportlichen Größe stand auch Coach Barry Hunter in nichts nach: "Es tut natürlich weh, weil wir seit 27 Kämpfen unbesiegt waren und gar nicht mehr wussten, wie sich Verlieren anfühlt. Aber Tony hat ab der neunten Runde seine Beine nicht mehr gespürt, er war zu müde, um seine Schläge präzise ins Ziel zu bringen."

Den Wunsch nach einem Rematch, den Thompson auf der Pressekonferenz äußerte, wird Klitschko nicht erfüllen. Dennoch hofft der in nun 33 Profikämpfen zweimal besiegte US-Amerikaner auf weitere Engagements in Deutschland. "Wir haben uns sehr wohlgefühlt und wollen bald wiederkommen", sagte Promoter Dan Goossen. Und Thompson fügte hinzu: "Ich hätte nie gedacht, dass ich in Hamburg einmal bekannter sein würde als in meiner eigenen Heimat. Ich liebe diese Stadt." Er wird alles tun, um das Kapitel Hamburg fortzuschreiben.