Der Weltmeister schlägt Tony Thompson in Runde elf k. o., zeigt sich dabei gereift, aber nur selten dominant.

Hamburg. Dass Profiboxer bisweilen schräge Vögel sind, bewies Wladimir Klitschko am Ende einer langen Boxnacht in der Color-Line-Arena. "Jetzt sehe ich endlich aus wie ein richtiger Boxer", feixte der Schwergewichts-Weltmeister angesichts einer tiefroten Schwellung unter dem linken und einem Cut über dem rechten Auge. Die Spuren im Gesicht des 32 Jahre alten Ukrainers waren überraschend deutliche Zeugen der Schwerstarbeit, die Klitschko bei der Verteidigung seiner WBO- und IBF-WM-Titel hatte leisten müssen, ehe er seinen Kontrahenten Tony "Tiger" Thompson (36, USA) nach 1:38 Minuten der elften Runde ausknocken konnte.

Rund 13 000 Besucher in der fast voll besetzten Arena hatten bei der Rückkehr des Champions - Klitschko kämpfte erstmals seit acht Jahren wieder in seiner Wahlheimat, wo 1996 seine Profikarriere begonnen hatte - ein Duell gesehen, das von der Spannung lebte, wie lange Thompson dem Druck des Weltmeisters Widerstand leisten würde. Nach einem furiosen Beginn verlegten sich beide Hünen in den Mittelrunden auf unsauberes Clinchen, das der überforderte Ringrichter Joe Cortez (USA) zu selten wirkungsvoll unterband. Rechtsausleger Thompson verstand es geschickt, Klitschkos Jab zu eliminieren, so dass der Ukrainer häufig seine Rechte zu Hilfe nehmen musste, um Wirkung zu erzielen. "Ich habe das richtige Distanzgefühl nicht gefunden", gab er zu.

Weil Thompson jedoch selbst zu selten gefährlich in die Offensive ging, konnte Klitschko unter Beweis stellen, warum er zum besten Schwergewichtler der Welt gereift ist: Er hatte das selten hochklassige Duell stets unter Kontrolle, bewies die nötige Geduld, ließ sich von den unorthodoxen Schwingern und zwei Stürzen über die Füße seines Gegners nicht beunruhigen, und als dieser müde und unaufmerksam wurde, schlug er in Runde elf gnadenlos zu. Eine Rechte zur Kinnspitze schickte Thompson bäuchlings zu Boden, er wurde ausgezählt und wankte völlig benommen in seine Ecke zurück, während Klitschko sich mit erhobenem Arm feiern ließ.

"Klitschko ist zum Ende hin immer sicherer geworden. Ich habe in seinem Blick gesehen, dass er den K. o. wollte", lobte Exweltmeister Lennox Lewis, der für den live übertragenden US-Pay-TV-Sender HBO als Experte am Ring saß. Die Schlagstatistik, in der Klitschko in fast allen Werten schwächer als Thompson war, kommentierte der Brite süffisant: "Es kommt nicht auf die Anzahl der Schläge an, sondern auf die Härte." Zudem hatte Klitschko auch die besseren Treffer gesetzt, was sich auf den Punktzetteln niederschlug, auf denen er nach zehn Runden zweimal acht und einmal neun Runden vorn lag.

Während Trainer Emanuel Steward seinen Schützling für dessen "psychische Dominanz" lobte, machte sich dieser bereits um zukünftige Aufgaben Gedanken. Als Nächstes steht noch in diesem Jahr die Pflichtverteidigung bei der IBF an, wo der Russe Alexander Powetkin aus dem Sauerland-Stall an Position eins geführt wird. "Der Kampf wird kommen", sagte Klitschkos Manager Bernd Bönte, der zudem bestätigte, dass Wladimirs Bruder, der frühere Weltmeister Vitali Klitschko (36), am 11. Oktober in Berlin sein Comeback gegen WBC-Champion Samuel Peter (Nigeria) geben soll. HBO-Experte Jim Lampley rät Klitschko indes dazu, auf Ranglisten zu pfeifen und nur die Besten seiner Zunft zu boxen. Ein Sportler, der dem Doppelweltmeister gefährlich werden könnte, wird dabei häufig genannt: Chris Arreola (27), ein in 24 Kämpfen unbesiegter Kalifornier, der als größte US-Hoffnung gilt.

Klitschko lassen derlei Gedankenspiele noch kalt. Er genoss nach seiner Siegesfeier bis 4.30 Uhr und der folgenden kurzen Nacht das Zusammensein mit seinen Eltern und der Familie seines Bruders. Noch eine Woche will er in Hamburg bleiben, ehe Ende Juli in New York ein Fotoshooting für das Magazin "Vanity Fair" ansteht. Dann wird er wieder aussehen wie ein normaler Mensch.