STUTTGART. 110 Prozent aus meinen Jungs rausholen, das kann ich nicht. Wenn meine Turner zu viel wollen, machen sie statt zwei Salti zweieinhalb und liegen auf der Nase. Emotion in Präzision umwandeln, das ist die Kunst", sagt Andreas Hirsch. Der Chefcoach des Deutschen Turner-Bundes (DTB) ist ein Mann der leisen, aber unmissverständlichen Töne. In fünf Jahren hat er aus einem Team, das um die Olympiaqualifikation zittern musste, ein Weltklassesextett geformt, begünstigt vom Glücksfall Fabian Hambüchen.

"Der Erfolg steht und fällt mit der Entscheidung für die Person Hirsch", sagt DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam, und Präsident Rainer Brechtken lobt die methodische Arbeit des einstigen DDR-Nationalturners: "Bei ihm sind immer Strukturen zu erkennen." Selbst der verbandskritische Wolfgang Hambüchen, Vater und Trainer von Reck-Europameister Fabian, ist zum Hirsch-Fan geworden: "Er ist ein Könner und hat ein starkes Team geformt."

Und so steht die Autorität des früheren Ringespezialisten nicht zur Diskussion, auch wenn Hirsch gern kokettiert, "keine Schulterklappen zu tragen". Das musste zuletzt Sprungspezialist Matthias Fahrig (Halle) erfahren. Nach Disziplinlosigkeiten flog er aus der WM-Riege.

Beim Blick auf die gefüllten Tribünen in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle hat Hirsch auch seine härtesten Tage als Trainer nicht vergessen. Er stand in Sichtweite, als Ronny Ziesmer 2004 in Kienbaum beim Sprung stürzte und seither ein Leben im Rollstuhl führt. "Ich habe alles hinterfragt, meinen Beruf, mein Leben, alles", erinnert sich der Coach. Leer sei er im Kopf gewesen, wie paralysiert. "Eigentlich konnte ich erst wieder arbeiten, als ich sicher war, dass Ronny sein neues Leben meistern wird." Am Freitag war Ziesmer mit frischem Mut zu Gast in der Schleyer-Halle - als Kokommentator des ZDF.