Der Franzose hat den Deutschen beim THW Kiel aus dem Team verdrängt. Jetzt treffen sie sich bei der WM wieder.

Kamen. Die Frage würde kommen, er wusste das: Wie es sich wohl anfühlen werde am Sonnabend, wenn auf der anderen Seite Thierry Omeyer steht, der ihn aus dem Tor des THW Kiel verdrängt hat. Henning Fritz lächelt gequält. Er lässt den Kopf nach vorn sinken, kratzt sich nervös im Nacken. Dann richtet er den Blick wieder auf: "Mich hat keiner verdrängt!" Später wiederholt er den Satz. Er muss ihn oft aufgesagt haben in den vergangenen Monaten. Vielleicht glaubt er inzwischen wirklich daran.

Henning Fritz redet nicht gern über das Thema, man spürt das. Am liebsten würde der 32-Jährige die jüngere Vergangenheit aus dem Gedächtnis löschen und nur über den Augenblick sprechen, die Handballweltmeisterschaft in Deutschland, die er bisher erlebt wie einen schönen Traum. Aber das ist nicht so einfach. Am Sonnabend geht es im Hauptrundenspiel gegen Europameister Frankreich (16.30 Uhr/ARD). Und in dessen Tor steht Omeyer, der ihn in Kiel - nun ja.

Fest steht, dass Fritz beim THW derzeit keine große Rolle spielt. 86 Minuten Matchpraxis brachte er aus der laufenden Bundesligasaison mit ins Turnier. Eine lächerliche Zahl für einen, der 2004 als erster Torhüter zum Welthandballer des Jahres gewählt wurde. Damals hielt Fritz den EM-Titel und die olympische Silbermedaille fest.

Es folgte ein quälender Abstieg. Verletzungen warfen ihn zurück, der Kopf war ausgebrannt. Fritz, die Leistungsmaschine, funktionierte nicht mehr. Der THW reagierte und kaufte Frankreichs EM-Held Omeyer für eine halbe Million Euro in Montpellier frei. Der 30-Jährige hält seither alles, was haltbar ist, manchmal sogar ein bisschen mehr. "Fast unmenschlich" findet HSV-Sportchef Christian Fitzek Omeyers Leistungen. Ab und an darf ihn der Schwede Mattias Andersson ersetzen. Fritz' Stammplatz ist seit Weihnachten die Tribüne. Trotzdem ließ er die Chance verstreichen, aus seinem bis 2009 laufenden Vertrag auszusteigen: "Ich gebe nicht einfach auf, ich war schon immer ein Kämpfer." Sein Trainer Noka Serdarusic sagt: "Jetzt muss ich mit ihm leben und er mit mir."

Die deutsche Mannschaft lebt bei der WM gut mit Henning Fritz. 48 von 136 Würfen konnte er parieren, im Durchschnitt gut jeden dritten Ball. Beim Sieg über Tunesien, seinem 204. Länderspiel, wurde er zum Mann des Spiels gewählt. In der Halbzeit bat er den Hallensprecher, die Stimmung anzuheizen. Das wäre vor wenigen Wochen undenkbar gewesen. "Ich bin nicht mehr nur auf mich konzentriert. Der Fokus ist wieder größer geworden", sagt Fritz. Nach einem Foul an Florian Kehrmann stürmte er über das halbe Feld, um ihn zu verteidigen. Der Rechtsaußen lobte später: "Henning ist schon fast wieder der Busfahrer." Es ist sein Ehrentitel im Nationalteam.

Fritz verzweifelt nicht mehr an sich, die gegnerischen Spieler tun es. Er spüre, wie die Selbstsicherheit zurückkehrt. Andreas Thiel, eine andere Torwartlegende, hat ihn beim Spezialtraining vor Turnierbeginn starkgeredet. "Er hat mich fit gemacht und mir gesagt: ,Du kannst es'", erzählt Fritz.

Bei einem Sieg gegen Frankreich wäre der Viertelfinaleinzug sicher, unabhängig vom letzten Hauptrundenspiel gegen Island (So., 15.30 Uhr/ZDF). Wie wird es sich denn nun anfühlen, wenn Omeyer auf der anderen Seite steht? "Ich gehe nicht in das Spiel, um irgendjemandem etwas zu beweisen", sagt Fritz. Vielleicht lasse ihn Bundestrainer Heiner Brand auch gar nicht spielen. Wieder lächelt Henning Fritz. Aber nicht gequält.

HAUPTRUNDE 1

(in Halle [Westf.] und Dortmund)

Deutschland - Slowenien 35:29

Tunesien - Island 30:36

Frankreich - Polen 31:22

Deutschland - Tunesien 35:28

Polen - Island 35:33

Frankreich - Slowenien 33:19

Deutschland - Frankreich Sa., 16.30

Island - Slowenien Sa., 18.00

Polen - Tunesien Sa., 20.00

Deutschland - Island So., 15.30

Slowenien - Polen So., 17.30

Frankreich - Tunesien So., 19.30

1. Frankreich 88:73 4:2

2. Island 101:89 4:2

3. Deutschland 95:84 4:2

4. Polen 84:89 4:2

5. Slowenien 82:95 2:4

6. Tunesien 85:105 0:6

Die Ergebnisse aus der Vorrunde wurden mitgenommen. Bei Punktgleichheit entscheidet der direkte Vergleich.

HAUPTRUNDE 2

(in Mannheim)

Tschechien - Ungarn 25:28

Spanien - Russland 33:29

Dänemark - Kroatien 26:28

Russland - Tschechien 30:26

Kroatien - Ungarn 25:18

Dänemark - Spanien 27:23

Kroatien - Tschechien Sa., 16.15

Ungarn - Spanien Sa., 18.15

Dänemark - Russland Sa., 20.15

Spanien - Kroatien So., 16.15

Russland - Ungarn So., 18.15

Dänemark - Tschechien So., 20.15

1. Kroatien 85:71 6:0

2. Spanien 91:85 4:2

3. Ungarn 76:79 4:2

4. Dänemark 82:81 2:4

5. Russland 86:91 2:4

6. Tschechien 80:93 0:6

Die ersten vier beider Gruppen erreichen das Viertelfinale am 30. Januar in Köln und Hamburg (Color-Line-Arena). Die deutsche Mannschaft spielt bei Qualifikation fürs Viertelfinale in Köln.

Fett gedruckte Teams weiter.