Der deutsche Meister soll im Mai eine Doping-Kontrolle verweigert haben.

Hamburg. Für Rudolf Scharping, den Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), scheint der Fall klar. "Hier wurde eine Dopingkontrolle verweigert", stellte der ehemalige Bundesverteidigungsminister nach Sichtung der Unterlagen gestern fest.

Es ist der Fall Johannes Sickmüller. Der deutsche Radcrossmeister des Jahres 2006, der für das Hamburger Stevens Racing Team fährt, ist wieder in den Fokus der Dopingfahnder geraten. Der viereinhalb Monate alte Vorgang wird jetzt neu aufgerollt. Grund sind die Vorwürfe gegen den renommierten Hamburger Sportmediziner Til Steinmeier, der Mitglieder des Radteams über Privatrezepte mit Dopingmitteln versorgt haben soll. Das behauptet ein ehemaliger Assistent Steinmeiers, der im vergangenen Herbst Einblick in die Patientendaten hatte. Steinmeier nimmt auf Rat seines Anwaltes Klaus Hüser zu den Anschuldigungen vorerst keine Stellung.

Über das, was am 31. Mai dieses Jahres geschah, gibt es verschiedene Darstellungen. Der Hamburger Dopingfahnder Achim Wenske hielt die Vorgänge in einer schriftlichen Stellungnahme für die Nationale Antidopingagentur (Nada) in Bonn fest.

Sickmüller war zu einer unangemeldeten Trainingskontrolle ausgelost worden. Wenske rief den 24-Jährigen an besagtem Mittwoch um 16.35 Uhr auf dessen Handy an, bat um einen sofortigen Termin für den Dopingtest. Das ist das normale Prozedere. Die Stimme am anderen Ende der Verbindung sagte: "Ich bin in zehn Minuten zu Hause."

"Es war eindeutig die hohe Tonlage Sickmüllers", schrieb Wenske in seinem Bericht. Um 17.15 Uhr stand der Kontrolleur wie verabredet vor dem Haus in der Breitenfelder Straße im Hamburger Stadtteil Hoheluft. Dort leben die Mitglieder des Stevens Team in einer Wohngemeinschaft direkt neben dem Fahrradgeschäft des Team-Managers Werner von Hacht. Wie üblich öffnete niemand auf Wenskes Klingeln. Der Fahnder ging daraufhin in den Laden und wählte von dort erneut Sickmüllers Handy an. Die Nummer war auf dem Display zu erkennen. Statt Sickmüller meldete sich jetzt aber Karl Platt, Mountainbikefahrer im Stevens Team. Der behauptete, schon beim ersten Mal am Telefon gewesen zu sein. Wenskes wiederholter Aufforderung, das Handy an Sickmüller weiterzureichen, kam Platt nicht nach. "Sie haben die falsche Nummer gewählt", sagte Platt. Wenske fühlte sich veralbert. "Da wollte sich jemand offensichtlich nicht testen lassen", war sein Eindruck. Er meldete den Vorgang unverzüglich der Nada. Die reagierte jedoch monatelang nicht. Dabei war Sickmüller 2003 nach einer "verweigerten Kontrolle" bereits einmal zwei Monate gesperrt worden. Jetzt droht ihm als möglichem Wiederholungstäter eine längere Zwangspause. Der BDR will ein Verfahren einleiten.

Werner von Hacht kann über die Vorhaltungen nur lachen: "Johannes Sickmüller hat nie eine Dopingprobe verweigert und sich einer solchen auch nie bewusst entzogen. Wenn die Nada zu blöd ist, eine Telefonnummer zu wählen, ist das nicht unser Problem." Der Team-Manager hält zu seinem Fahrer. "Ich kenne Johannes seit sechs Jahren. Ich glaube ihm, dass er unschuldig ist." Sickmüller war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Von Hacht erwägt, die von Teamchef Jens Schwedler veranlasste Suspendierung Sickmüllers aufzuheben. "Johannes hat nichts getan. Wir sind wie eine Familie. Wir halten zusammen."

Heute Vormittag wollen von Hacht, Schwedler und Sickmüller eine gemeinsame Erklärung abgeben. Sollte Sickmüller ins Team zurückkehren, droht Ärger aus Frankfurt. "Ich habe Herrn von Hacht sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass wir eine bleibende Suspendierung des Fahrers Sickmüller wünschen", sagte BDR-Geschäftsführer Jürgen Lamberty zum Abendblatt. Das Agreement unter den Radsport-Teams, dass Mannschaften ihre unter Doping-Verdacht stehenden Fahrer freiwillig aus dem Verkehr ziehen, interessiert den Stevens-Manager allerdings nicht: "Ich habe diese Vereinbarung nicht unterschrieben."

Der Hamburger Sportbund (HSB) hält sich an die Abmachungen. Sickmüllers Mitgliedschaft im Team Hamburg ruht bis zur Klärung der Vorwürfe, die Zahlungen, 100 Euro im Monat, werden eingestellt. "Das ist keine Vorverurteilung, wir handeln nur konsequent nach unseren Fördergrundsätzen", sagte Rolf Reincke, Vizepräsident Leistungssport. "Für den Sportbund gilt: Null Toleranz für Doping."