AACHEN/HAMBURG. Der Abgang bei der WM-Sichtung in Barlo-Bocholt lief wie geplant. Nicola Ströh stand rücklings auf ihrem Pferd und schlug ein freies Rad in den Stand. Am Boden angekommen, glaubte die Voltigier-Weltmeisterin an eine perfekte Landung. Dann der Schock: Die Hamburgerin hatte sich das Knie verdreht. Innenmeniskusabriss lautete die Diagnose - knapp drei Monate vor ihrem erhofften Karriere-Höhepunkt, der Reit-WM in Aachen, bei der die 25-Jährige unbedingt ihren Titel verteidigen wollte.

Mühsam hatte sich die Sportwissenschaftlerin nach einem Kreuzbandriss und einem Menikusschaden, die sie sich im vergangenen Jahr bei einer Show-Kür in Las Vegas zugezogen hatte, zurückgekämpft. Schon damals hatten viele gezweifelt, ob etwas aus ihrem Comebackwunsch werden würde. Doch Ströh ließ sich nicht unterkriegen, auch nach dem zweiten Rückschlag im Mai nicht.

Nach einer Operation und sechs Wochen Pause begann die Reiterin vom Jersbek-Wohldorfer RVV mit der Rehabilitation, Ende Juli stieg sie wieder aufs Pferd. "Da musste ich erstmal die Angst vor dem Stürzen verlieren", erzählt Ströh, die beim Voltigieren - dem Kunstturnen auf dem Pferd - wagemutige Balanceakte vollführen muss.

Bei der Deutschen Meisterschaft in Freudenberg, die sie vor einer Woche als Test für die WM nutzte, klappte das schon wieder ganz gut. Ströh holte sich den Titel. Die wichtigeren Erkenntnisse waren, dass das Knie keine Probleme mehr bereitet, aber noch ein Quäntchen Routine und Sicherheit fehlt. Neben den schweren Verletzungen ist ihr neues Pferd Lanson ein Grund dafür. Den acht Jahre alten Fuchswallach besitzt die Medaillenhoffnung erst seit Anfang des Jahres. "Er ist ein kleines Schlitzohr, eigentlich unkompliziert, aber wenn er es sich einfacher machen kann, tut er das. Schwächen nutzt er schamlos aus", meint die Norddeutsche.

Eine große Verantwortung lastet deshalb auf ihrem Longenführer Michael Gnad, der laut Ströh ebenso wichtig wie sie selbst und das Pferd für das Gelingen des Unternehmens Titelverteidigung ist, das heute mit der Kür beginnt. "Das ist eine ganz feine Abstimmung", erklärt die Reiterin, die einen Teil ihrer Ausgaben für den Sport durch Voltigierlehrgänge und -shows wieder hereinholt. "Ohne meine Eltern wäre ich aber aufgeschmissen. Auch bei der WM wird höchstens eine schwarze Null herauskommen", sagt sie.

Konkurrenz kommt unter anderem aus dem eigenen Land, denn auch Ines Jückstock vom RFV Hoisbüttel möchte auf Little Foot in Aachen eine gute Rolle spielen. Nicola Ströh kündigt einen "harten Fight" an, alles riskieren will sie aber nicht. Das freie Rad wurde aus dem Programm gestrichen, ein Handstand und eine Rolle sollen nun den krönenden Abschluss bilden.