Prozeß: Leichtathletik-Trainer Springstein ist wegen Minderjährigen-Dopings angeklagt. Die Verteidigung will den Fall zu einem innerdeutschen Konflikt aufbauen, Die Vorwürfe seien an “den Haaren herbeigezogen“.

Magdeburg. Ohne die erwartete Aussage der Hauptbelastungszeugin Anne-Kathrin Elbe ist der erste Tag im Prozeß gegen Thomas Springstein (47) zu Ende gegangen. Der ehemalige Leichtathletik-Trainer muß sich vor dem Amtsgericht Magdeburg wegen Minderjährigen-Dopings verantworten. Die Verteidigung setzte dagegen die Vernehmung Joachim Strauss' durch, der als Zeugenbeistand für Elbe erschienen war. Strauss ist Abteilungsleiter Leichtathletik und Justitiar von Elbes neuem Verein Bayer 04 Leverkusen. Die Strategie der beiden Springstein-Anwälte: Sie wollen offenbar einen Ost-West-Konflikt aufbauen.

"Alle Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen. Das ist eine typische Sportintrige, mehr aber nicht, und damit letztlich auch ein Ost-West-Konflikt, da Leverkusen westlich liegt", sagte Verteidiger Peter-Michael Diestel. Mit seinem Hamburger Kollegen Johann Schwenn nimmt der letzte DDR-Innenminister die Interessen Springsteins wahr. Dem drohen bis zu vier Jahren Haft oder eine hohe Geldstrafe.

"Es geht jetzt darum, die wirklichen Motive des Wechsels von Frau Elbe zu klären, denn sie sind auch die Motive für die Strafanzeige", sagte Schwenn. Ein Hintergrund, so der Anwalt, könnte sein, daß Springsteins Sprint-Schule in Magdeburg zerstört werden sollte. In seiner Vernehmung mußte Strauss einräumen, Elbe am Sonntag auf dem Weg nach Magdeburg die Protokolle von zwei Vernehmungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft zur "Erinnerungsauffrischung" gezeigt zu haben. Das stufte die Verteidigung als unerlaubt ein.

Schwenn warf Strauss vor, die Aussage mit Elbe "eingeübt" zu haben. "Was ist an Leverkusen so schön?" fragte Schwenn provozierend weiter: "Das ist der letzte Ort, an den ich hinziehen würde." Die materiellen Anreize für den Umzug waren nach Strauss' Aussage eher gering: Elbe erhielt in der Saison 2004/2005 genau 400 Euro monatliche Aufwandsentschädigung.

Die Hürden-Nachwuchsläuferin hatte den Skandal ins Rollen gebracht und soll nun am nächsten Montag vernommen werden. Das damals 16jährige Talent hat laut Anklageschrift von Springstein vor einem Wettkampf in den USA am 24. April 2003 zwei Andriol-Tabletten mit dem verbotenen Wirkstoff Testosteron-Undecanoat erhalten. Eine weitere Ration sei ihr bei einem Trainingslager in Zinnowitz vom 11. bis 25. Mai 2003 übergeben worden. Auf dem Glasfläschchen habe die genaue Anwendung gestanden. Die Athletin hatte die Pillen nicht eingenommen, sondern an Bundestrainer Thomas Kremer weitergeleitet. "Es gibt irrsinnig viele Widersprüche in der Aussage Elbes", meinte Diestel, "ich hoffe nicht, daß sie durch den Prozeß beschädigt wird."

Neben Elbe soll auch Julia Lesse, die ebenfalls Springsteins Trainingsgruppe beim SC Magdeburg angehörte, eine Andriol-Tablette im Mai 2003 erhalten haben. Sie hat das Mittel eingenommen, erklärte Staatsanwältin Angelika Lux. Auch die deutsche B-Jugend-Vizemeisterin von 2003 über 100 Meter wird als Zeugin geladen. Zudem soll der angeklagte Diplom-Sportlehrer der Athletin Eileen Müller zur Behandlung einer Sehnenscheidenentzündung fünfmal ein homöopathisches Mittel injiziert haben, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt zu sein.

Springstein, 2002 Leichtathletik-Trainer des Jahres, saß im schwarzen Anzug mit Hemd ohne Krawatte schweigend und mit starrer Miene auf der Anklagebank. Abgesehen von Angaben zur Person machte er keine Aussage zur Sache. Möglicherweise wird er an den weiteren bis zum 31. März terminierten acht Verhandlungstagen das Wort ergreifen. Schließlich muß er sich nicht nur gegen die Aussagen der von ihm angeblich gedopten Athletinnen auseinander setzen, sondern auch gegen die Dopingmittel-Funde in seinem Haus in Gerwisch bei Magdeburg.

Nach Aufdeckung des Falles wurden im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei einer Hausdurchsuchung am 28. September 2004 nicht nur das Testosteronpräparat Andriol entdeckt, das die Athleten erhalten haben wollen. Zusätzlich sollen Wachstumshormone und Insulin, das ebenfalls muskelbildend wirken kann, gefunden worden sein. Auch Pläne für Vergabezyklen von Dopingmitteln wurden offenbar bei der Razzia entdeckt. Springstein, so seine bisherigen Einlassungen vor der Staatsanwaltschaft, will diese Mittel und Anleitungen nur für den Eigenbedarf angeschafft haben.