WIMBLEDON: Der dreimalige Sieger ist als Reporter zurückgekehrt.

London. Wimbledon-Magie. Sie verleiht gesunken geglaubten Sternen wie Goran Ivanisevic übernatürliche Kräfte. Und auch Alt-Profis wie Martina Navratilova (45), die hier im Doppel antritt, oder John McEnroe (43), der seit Jahren hier kommentiert, können vom Heiligen Rasen nicht lassen. Und nun auch Boris Becker. Der 34-Jährige macht es sich in seinem "Wohnzimmer", wie er es einst nannte, auf dem Fernsehsessel bequem, kommentiert täglich für die BBC erstmals live vom Centre-Court. Zudem schreibt er für die angesehene "Times" über den Sommer verteilt acht Kolumnen. Becker hatte als Profi oft moniert, dass einige, die über ihn journalistisch richten, noch nie einen Tennisball geschlagen hätten. Jetzt urteilt er. Und das mache er "very good", befindet die BBC, die nach erfolgreichem Probelauf langfristig mit ihm arbeiten will. In gutem Englisch erklärt Becker den Fans, warum ein Spieler den Ball gerade cross spielte, oder was Roger Federer hätte tun müssen, um sein Erstrundenaus zu verhindern. Dabei schaut ihm Sohn Noah (8) in einem blauen Ronaldo-Trikot über die Schultern. Er durfte den Papa nach London begleiten. Doch Beckers Ausflug in den Journalismus ist nur eine von mehreren Aktivitäten. Sein Berater Robert Lübenoff scherzt: "Der Mann wäre ideal für die Drei-Wetter-Taft-Werbung." Morgens in Rom, die Sonne brennt; abends dann London, Regen; Becker immer auf Achse. Beispiel letzte Woche: Freitagabend war er in Zürich zu Gesprächen in seiner Firma BBM, am nächsten Morgen bei einem Meeting in Frankfurt, wo es um seine neue Modelinie geht. Lübenoff: "Boris wird auf der Ispo seine erste eigene Linie von Sportbekleidung unter seinem Namen herausbringen, bei der er vom Design bis zum Vertrieb mitgearbeitet hat." Sonnabend um 18 Uhr warf Becker beim World Bowl in Düsseldorf die Münze, am Sonntag gastierte er am Nürburgring, traf sich mit Vertretern seines Sponsors Mercedes. Zwischendurch schwingt er auf Showmatches den Schläger. Doch Becker ist mittlerweile Vollzeit-Geschäftsmann, hat mit seinen drei Autohäusern bei Schwerin, seiner Beteiligung an der Firma Völkl und seiner Marketingfirma Verantwortung zu tragen. "Wenn er irgendwo auftritt, dann ist das nicht zum Party feiern, sondern als Vehicle fürs Geschäft", sagt Lübenoff. So gesehen sind die 14 Tage Wimbledon glatte Entspannung. Keine Reiserei, keine Konferenzen, nur Tennis. Und das im eigenen "Wohnzimmer".