HSV-Trainer Martin Jol muss sich immer wieder Gedanken um seine Spieler machen. Die hohe Spielfrequenz führt sie an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit. Und manchmal auch darüber hinaus...

Hamburg. Er will es nicht leugnen. "Drei Wettbewerbe bringen schon eine grenzwertige Belastung mit sich", sagt Mladen Petric, der sich nach drei Wochen intensivster Behandlung seines Muskelfaserrisses in der vereinseigenen medizinischen Abteilung wieder zurückmeldet. Natürlich sei es für den Kopf schwer, wenn man immer neue Verletzte und Ausfälle verkraften müsse, die Anzahl der Spiele aber weiter extrem bleibt, erklärt Petric. "Trotzdem, so müde man ist, so motiviert es jeden von uns, bei unserer tollen Serie dabei zu sein und mitzuhelfen."

Doch das wird schwieriger. Immer mehr Verletzte zwingen HSV-Trainer Martin Jol nach bereits 43 absolvierten und noch 15 weiterhin möglichen Pflichtspielen bis Saisonende immer häufiger zum Umplanen. "Bislang haben wir das immer hinbekommen", sagt der Niederländer, der morgen gegen Manchester City im Uefa-Cup-Viertelfinal-Hinspiel (20.45 Uhr, Nordbank-Arena, Sat.1 live) neben den Langzeitverletzten Thimothee Atouba, Bastian Reinhardt und Romeo Castelen auf Alex Silva (Oberschenkelprobleme), die im Uefa-Cup gesperrten Mickael Tavares und Albert Streit sowie wahrscheinlich auf Collin Benjamin verzichten muss. Zudem ist Paolo Guerrero (Knöchelprellung) angeschlagen. "Sollte Paolo auch noch ausfallen, hätten wir das erste Mal ein richtiges Problem", sagt Jol, der entsprechend erste Einsätze von Beginn an für seinen Venezolaner Tomas Rincon sowie Marcel Ndjeng andeutet. Jol: "Ich habe schon eine Mannschaft im Kopf, die gut ist."

Allerdings wird er dafür zuvor erneut mit seinen immer wichtiger werdenden Kollegen der medizinischen Abteilung Rücksprache halten müssen. "Es gibt momentan Monate, wo der Kontakt zur Mannschaft fast täglich ist", sagt Mannschaftsarzt Dr. Oliver Dierk, der seit 1999 - damals als zweiter Mann hinter Gerold Schwartz - beim HSV dabei ist. Insbesondere der immer straffere Spielplan erfordere einen derart erhöhten Aufwand. Wie viel mehr gearbeitet wird? "Unvergleichbar", so Dierk, "heute ist die Prävention exorbitant wichtig geworden." So wird nach jedem Spiel eine aktive Erholung von den Spielern gefordert (Ergometer, Eisbäder und Dehnen), zudem werden nach jeder Partie Blutwerte genommen und ausgewertet. "So können wir einen individuellen Trainings- und Ernährungsplan erstellen, der die Spieler den erhöhten Anforderungen gerecht werden lässt."

Auch bei zuletzt elf Spielen binnen 33 Tagen? "Die Belastung der Profifußballer ist heute so hoch wie nie", so der Orthopäde, "aber sie ist zu leisten. Der Körper eines Profis kann sich an den Rhythmus Sonntag, Donnerstag und Sonntag durchaus gewöhnen, wenn das Training stimmt. Und das ist bei Martin Jol der Fall. Er hat natürlich die Leistungskurven sowie alle Zahlen aus den Laboranalysen, die er braucht, um die Spieler nicht überzubelasten." Dass dennoch ein Nachteil gegenüber Mannschaften entstehen kann, die nicht mehrere Wettbewerbe gleichzeitig spielen, will Dierk nicht leugnen. "Der Faktor Anforderung ist ungleich höher, das ist klar. Dafür wurde unsere medizinische Abteilung auch erneut aufgestockt, zeitweise noch ein Extra-Physiotherapeut dazubestellt. Und wenn die interne Kommunikation funktioniert, und das tut es bei uns, dann ist auch eine Situation wie unsere Dreifachbelastung zu schaffen."

Dennoch kommt es zu Grenzfällen wie am vergangenen Sonnabend gegen Hoffenheim, wo Jerome Boateng trotz Grippe eingewechselt wurde - im Hinblick auf die vermehrt auftretenden Fälle plötzlichen Herztodes bei Profisportlern eigentlich unzumutbar. Dierk: "Bei hohem Fieber spielt kein Profi. Das ist eine klare Regel. Bei Jerome war es eine ausgewachsene Erkältung, die ihn körperlich geschwächt hat. Trotzdem hat er sich zur Verfügung gestellt, was ihn sehr ehrt." Gestern war es Guerrero, der sich Boateng zum Vorbild nahm und trotz akuter Verletzung unbedingt beim Highlight gegen Manchester dabei sein will: "Wenn es im Training geht, spiele ich. Wenn es nicht so gut ist, will ich auf die Bank. Ich denke aber, ich bin dabei. Egal wie."