Manipulationsversuch bei Champions-League-Finale der Frauen. Staatsanwaltschaft gewährt Kiel Akteneinsicht.

Hamburg. Die Revolte fand dann doch nicht statt. Mit geballter Faust in der Tasche waren einige Aufsichtsratsmitglieder der Handball-Bundesliga (HBL) gestern Vormittag zur Sitzung des Kontrollgremiums in Frankfurt erschienen. Sie wollten ihrem Missfallen über das Vorpreschen von HSV-Präsident Andreas Rudolph im Korruptionsskandal Luft verschaffen. Der hatte am Montag in einer Pressekonferenz Kiels Manager Uwe Schwenker schwer belastet und ihn wie auch den HBL-Präsidenten Reiner Witte aufgefordert, ihre Ämter ruhen zu lassen. Beiden hatte Rudolph vorgeworfen, zu wenig zur Aufklärung der Vorwürfe gegen den THW Kiel beigetragen zu haben - und dafür nach eigenem Bekunden "viel Zuspruch bekommen". Mindestens zehn Europacupspiele soll der deutsche Rekordmeister Kiel durch Schiedsrichterbestechung verschoben haben.

Während Schwenker aus der Ferne die Anschuldigungen erneut zurückwies, gab es statt eines Schlagabtauschs in Frankfurt nur einen Vorschlagsaustausch. Witte, zwei weitere Vertreter des HBL-Präsidiums und Geschäftsführer Frank Bohmann trugen dem Gremium "Maßnahmen zur Reduzierung des Manipulationsrisikos in internationalen Wettbewerben" vor, die man am Dienstag erarbeitet hatte. Ansonsten wurden TV-Verträge und Etatpläne diskutiert. Entscheidungen sollen erst am Sonntag bei einer gemeinsamen Präsidiums- und Aufsichtsratssitzung fallen.

Bis dahin könnte tatsächlich Bewegung in die Sache gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft Kiel, die gegen Schwenker wegen Untreue ermittelt, hat den Rechtsbeiständen des THW inzwischen Akteneinsicht gewährt. "Wir befinden uns zwischen Anfangsverdacht und hinreichendem Tatverdacht", sagte Oberstaatsanwalt Uwe Wick der "Welt". Von den Reaktionen der beschuldigten Parteien verspreche er sich neue Erkenntnisse.

Wie gängig Manipulationsversuche im internationalen Handball offenbar sind, belegt die Aussage des französischen Schiedsrichters Laurent Reveret. Er schilderte der Sportzeitung "L'Equipe", wie ihm beim Bankett nach dem ersten Champions-League-Finale der Frauen im Vorjahr zwischen Swenigorod und Niederösterreich (25:24) ein russischer Funktionär einen Geldumschlag reichte. "Ich habe den Umschlag aber umgehend zurückgegeben und den Europaverband EHF informiert", sagte Reveret. Schon zuvor habe er ein oder zwei Bestechungsversuche "mit hübschen Mädchen" erlebt.

Die Russinnen gewannen übrigens auch das Rückspiel 31:29. Wiens Manager Gunnar Prokop will schon unmittelbar danach ein ungutes Gefühl beschlichen haben. Er habe den Schiedsrichtern beim Bankett gesagt, dass ihnen wohl vom russischen Schiedsrichterchef des Weltverbands "für einen guten Pfiff das Olympia-Finale der Herren versprochen worden ist, so wie die gegen uns gepfiffen haben". Die Angesprochenen waren die inzwischen suspendierten Magdeburger Frank Lemme/Bernd Ullrich. In Ullrichs Gepäck waren nach einem Europacup-Finale 50 000 Dollar gefunden worden.