Als die übliche Gute-Nacht-SMS ausblieb, dachte sich Steffi Herms noch nichts Böses. Sie hatte ja noch am Abend mit René telefoniert. Erst als am...

Pirna/Hamburg. Als die übliche Gute-Nacht-SMS ausblieb, dachte sich Steffi Herms noch nichts Böses. Sie hatte ja noch am Abend mit Rene telefoniert. Erst als am Sonnabendmorgen niemand ans Telefon ging und auch die Trainingskollegen ihren Mann vermissten, wurde sie unruhig. Sie bat ihre Mutter, einmal in der gemeinsamen Wohnung in Lohmen bei Pirna nachzuschauen. Die fand den zwölfmaligen deutschen 800-Meter-Meister leblos vor, an seinem Computer, dem - neben schnellen Autos - immer seine Leidenschaft gegolten hat. Der herbeigerufene Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen, er war bereits am Freitagabend eingetreten. Rene Herms wurde nur 26 Jahre alt.

Sein Tod hat beim Deutschen Leichtathletik-Verband Bestürzung ausgelöst. "Wir sind zutiefst betroffen. Rene Herms war ein Ausnahmeathlet. Für die deutsche Leichtathletik ist sein Tod ein schwerer Verlust.", sagte Präsident Clemens Prokop. Zwischen 2001 und 2007 hatte der aus dem sächsischen Dohna stammende Herms seine geliebte Mittelstrecke auf nationaler Ebene dominiert. Je sechsmal nacheinander konnte er im Freien und in der Halle den Titel gewinnen.

Aufschluss über die Umstände seines Todes soll eine Obduktion ergeben, die voraussichtlich heute oder morgen vorgenommen wird. Eine Straftat, Fremdeinwirkung oder Selbstmord schloss die Polizei in Dresden jedoch nach ersten Ermittlungen aus. In einer Mitteilung seines Vereins LG Braunschweig wird eine Entzündung des Herzmuskels als mögliche Todesursache genannt. Demnach habe sich Herms vor Kurzem mit einem grippalen Infekt herumgeschlagen und das Training womöglich zu früh wiederaufgenommen.

Einen vergleichbaren Todesfall hat die deutsche Leichtathletik bereits im Sommer 2006 beklagen müssen, als das Schalker 400-Meter-Talent Carlo Schaper im Anschluss an eine leichte Übungseinheit verstarb. Er hatte sich nach einer Grippe im Aufbautraining befunden.

Herms hatte noch am Freitag in Dresden eine Einheit mit seinem Coach Dietmar Jarosch absolviert. "Da war alles in Ordnung", sagte der stellvertretende LG-Vorsitzende Bernhard Bröger. "Als ihn dann aber später sein Trainingskamerad noch anrief, war er telefonisch nicht mehr zu erreichen."

Herms hinterlässt Ehefrau Steffi, mit der er zuletzt eine Fernbeziehung führte. Ihr hatte er einst nach dem Gewinn des Meistertitels noch im Stadion öffentlich einen Heiratsantrag gemacht. Das war 2004, es war Herms' bestes Jahr. Bei einem Länderkampf in München konnte er sich auf 1:44,14 Minuten steigern, nur vier Deutsche sind die zwei Stadionrunden jemals schneller gelaufen. Auf den Bildern von damals sieht man den Wirtschaftsstudenten nach dem Lauf mit nacktem Oberkörper posieren und auf eine Raubkatze deuten, die er sich auf seinen rechten Bizeps tätowiert hatte.

"Rene war immer ein extrovertierter Typ", erinnert sich Frank Thaleiser, der Geschäftsführer des Hamburger Verbandes und Manager von Nils Schumann, seines großen Konkurrenten. Zweimal konnte Herms dem Olympiasieger von Sydney in einem Meisterschaftsrennen davonlaufen, nie aber Schumanns Schatten. Bei den Europameisterschaften 2002 schnappte ihm der Rivale die Bronzemedaille weg, während er als Siebter leer ausging. Bei den Olympischen Spielen in Athen zwei Jahre später schied Herms im Halbfinale aus.

Alles aus sich herauszuholen, das hatte er sich zum Ziel gesetzt: "Und meine Träume ohne Doping zu verwirklichen, auch wenn ich dadurch nicht immer ganz oben auf dem Siegerpodest stehen kann." Und so blieb der Gewinn des Europameistertitels bei den unter 23-Jährigen sein größter internationaler Erfolg.

Gewinnen, so sein Motto, sei "schön, aber nicht alles im Leben". Über das, sein Leben, wollte Rene Herms später einmal nur sagen können: "Ich habe etwas daraus gemacht, ohne dabei etwas zu bereuen".