Die 32 Jahre alte Sportsoldatin aus Zella-Mehlis behielt am Schießstand die Ruhe und gewann deshalb Gold.

Pyeongchang. Der Vergleich mit Ole Einar Björndalen war ihr dann doch etwas peinlich. "Ich glaube, er hat hier dreimal gewonnen und ich zweimal", sagte Kati Wilhelm (32) mit einem Lächeln, das zeigen sollte, wie geehrt sie über die angebliche Parallele mit ihrem männlichen Pendant war, der in Südkorea seinen insgesamt 13. WM-Titel gewonnen hatte. Nach neuestem Stand trennen die Thüringerin ja nur noch schlappe neun Goldmedaillen und zwei Olympiasiege von der norwegischen Biathlon-Ikone.

Aber spätestens seit gestern gehört die dreimalige Olympiasiegerin nicht nur zu den erfolgreichsten, sondern auch zu den vielseitigsten Skijägerinnen der Geschichte. Die Sportsoldatin mit Wohnsitz im bayerischen Ruhpolding siegte im Einzelrennen über 20 Kilometer, der Königsdisziplin. Wer einmal diese Strecke bei einem Großereignis als Sieger verlassen hat, ist ein vollkommener Biathlet. Wilhelm tilgte den letzten Makel ihrer sportlichen Vita: "Das war mein heimliches Ziel, ich wollte es mir für die Olympischen Spiele aufsparen."

Eine Wiederholung in Vancouver 2010 scheint nach dieser souveränen Vorstellung alles andere als ausgeschlossen. Knapp 40 Sekunden betrug im Ziel ihr Vorsprung auf die Slowenin Teja Gregorin. Die Entscheidung über Sieg und Niederlage fiel gestern vor den fünf kleinen Scheiben; die Entscheidung darüber, wer ein zittriges Nervenbündel ist oder strahlender Held. Der Schwedin Catrin Olofsson glitt die Goldmedaille mit der letzten Patrone aus der Hand. 19-mal klappten die Scheiben um, den 20. Schuss setzte sie daneben. Verärgert kam sie als Vierte ins Ziel.

Dem Druck am Schießstand, mit dem eines Fußballerspielers am Elfmeterpunkt zu vergleichen, ist beim Saisonhöhepunkt in Südkorea bisher außer Wilhelm und Silbermedaillengewinner Christoph Stephan niemand gewachsen. Ausgerechnet die beiden deutschen Präzisionsschützinnen verfehlten ihre Medaillenmission deutlich. Andrea Henkel auf Platz zehn und Martina Beck als 28. ballerten je dreimal daneben. "Sie wollten es zu genau machen", sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. Bei Kathrin Hitzer lag die Trefferquote bei etwas über 50 Prozent, was am Ende zu Rang 78 reichte.

Es gibt immer zwei Möglichkeiten zu schießen: einen langsamen Rhythmus anschlagen wie Christoph Stephan bei seinem Silber-Lauf - oder "einfach draufhalten" wie die Norwegerin Tora Berger, die gestern mit ihrem flotten Stil Dritte wurde. Und es ist manchmal nur eine Kleinigkeit, die einem am Schießstand aus dem Rhythmus bringen kann. Das wichtigste für einen Schützen ist das blinde Vertrauen in seine Fähigkeiten, sagt eine, die es wissen muss: Kati Wilhelm. "Ich bin die ganze Saison über sehr stabil am Schießstand gewesen. Wenn die Scheiben fallen, gibt das einem Sicherheit." Andrea Henkel erlebt bei dieser WM bisher genau das, was Kollegin Wilhelm in Östersund widerfuhr: sie glitt flott durch die Loipe und schwächelte mit der Waffe in der Hand. "Man gerät fast in eine Angstspirale und denkt, hoffentlich passiert einem nicht schon wieder so ein Rennen", sagt Wilhelm. Auch Magdalena Neuner kämpft mit diesem psychologischen Handicap. Noch bevor sie an den Schießstand rutscht, begeht sie zuweilen die Todsünde aller Biathleten - sie beginnt zu denken.

Die Abläufe aber sollen automatisiert sein, und wer die Routine besitzt, kann den Rhythmus variieren, absetzen und "den Schuss noch einmal aufbauen", wie Wilhelm es formuliert. "Früher hätte ich nach langem Zögern den Schuss bestimmt daneben gesetzt." Neuner braucht noch etwas Zeit, um eine gute Schützin zu werden, das betont sie immer wieder. "Ich mache mir keinen großen Kopf", sagte sie nach bisher durchwachsenen Auftritten vor den Scheiben.

Die Blondine betätigte sich selbst unfreiwillig als Motivator. Die Rivalität mit Neuner, die Wilhelm bei den vergangenen zwei Weltmeisterschaften die Show gestohlen hatte, habe sie noch einmal angetrieben. Wilhelm sagte: "Das hat mich motiviert, noch mehr Gas zu geben."

Neuners Freund Björn Weisheit hat übrigens noch eine Biathlon-Weisheit nahe an der Binse ausgemacht. "Wenn du es besonders gut machen willst", sagt der Cheftechniker des deutschen Teams, "dann geht es besonders gut in die Hose."