Heinz Singer, 87, wurde mit SV Polizei Hamburg achtmal deutscher Handballmeister. Bei den Spielen des HSV Handball ist es ihm zu laut.

Höckel. "Die Hamburger müssen den Titel gewinnen, wir sind nur Außenseiter." Hein Dahlinger hat das gesagt, einer der legendären Spieler des THW Kiel. Die Äußerung ist 60 Jahre alt, und sie spiegelt die Kräfteverhältnisse im deutschen Handball wider. Die Sportvereinigung Polizei dominiert die Szene. Von 1950 bis 1953 werden die Hamburger vier Mal in Folge deutscher Meister in der Halle, draußen auf dem Großfeld gewinnen sie zwischen 1951 und 1955 vier weitere Trophäen. "Die Kieler hatten wir fast immer im Griff", sagt Heinz Singer, der Torhüter.

Seit 55 Jahren warten die Männer der SV Polizei auf ihre Nachfolger aus der Stadt, und wenn sich der HSV am Sonnabend im Bundesligaspitzenspiel gegen Kiel anschickt, diese anzutreten, wird Singer mit seiner Frau Lieselotte Singer-Gudjonsson, 69, in seinem Haus in Höckel in der Nordheide vor dem Flachbildschirm sitzen. In die Halle zieht es den 87-Jährigen nicht. "Ich war ein paar Mal in der Color-Line-Arena bei HSV-Spielen, aber da war es mir einfach zu laut. Vielen Zuschauern geht es nur noch ums Spektakel und nicht mehr um Handball. Das ist schade."

Singer spielte in einer anderen Welt. Die Hallen waren eng, die Böden meist aus Beton. Die Endrunde in Münster wurde in einer Reithalle gespielt, über dem Sand lagen Bohlen. Die Massen strömten zum Feldhandball, 25 000 kamen 1950 zum Finale ins Kieler Holstein-Stadion. Der THW besiegte die SV Polizei mit 10:9. "Für diese Niederlage haben wir danach in schöner Regelmäßigkeit Revanche genommen", erzählt Singer und lächelt milde, "die Kieler waren fortan im Norden die Nummer zwei." Erst 1957 wurden sie wieder deutscher Meister, das erste von bis heute 15 Mal in der Halle. Die meisten Spieler der SV Polizei hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Karrieren beendet. Seit 1996 hat der Klub keine eigenständige Handballabteilung mehr. Sie ging in der SG Altona auf, die mit den Handballern von Union 03 und Hansa 10/11 gegründet wurde.

DIE GILLE-BRÜDER DES HSV

Vier Spieler der Meistermannschaften der SV Polizei leben noch, neben Singer Herbert Bossenz, Jürgen Isberg und Klaus Velewald. Die Bekanntesten des Teams, "Atom"-Otto Maychrzak und der spätere Bundestrainer Werner Vick, sind tot. "Die meisten von uns sind sehr alt geworden", sagt Singer. Seine 87 Jahre sieht man ihm nicht an. "Bis auf ein paar Zipperlein am Knie geht es mir hervorragend." Nur die "einst schönen schwarzen Haare" seien grau und weniger geworden, meint seine Frau. Auch sie ist eine erfolgreiche Handballerin. Die isländische Nationalspielerin, Tochter eines hochrangigen Diplomaten, gewann mit dem ETV 1966 (Feld) und 1967 (Feld und Halle) drei deutsche Meisterschaften. 1958 hatte sie Singer bei einem Gastspiel der Hamburger in Reykjavik kennengelernt.

Für Singer, der mit der Feldhandball-Nationalmannschaft 1952 und 1955 Weltmeister wurde, blieb Handball ein Hobby. Training stand einmal die Woche an, sonntags folgte das Spiel. "Für die Meisterschaft hat der Vereinskassierer jedem von uns 100 Mark in die Hand gedrückt", sagt Singer. Sein Geld verdiente er bei der Polizei, danach beim Verfassungsschutz. Die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof stand unter seiner Beobachtung.

Am modernen Handball stören ihn die Brutalität in den Zweikämpfen - und die Schiedsrichterleistungen. "Was früher einer sah, sehen heute zwei Leute nicht, oder sie wollen es nicht sehen", klagt er. Dem HSV drückt er Sonnabend die Daumen, "aber ich glaube, die Kieler werden gewinnen. Die wissen inzwischen, wie man Meister wird."