Das Abendblatt erklärt, wie die HSV-Handballer mit dem Aus in der Champions League umgehen. Der Alltag in der Bundesliga steht vor der Tür.

Ciudad Real/Madrid. Karl Gladeck hatte die Ereignisse in der Quijote-Arena als Erster verarbeitet. Eine halbe Stunde nach dem Aus des HSV im Viertelfinale der Champions League verhandelte der Vertriebsleiter der Teamsportreisen vor der Halle mit dem Manager des siegreichen BM Ciudad Real über das von ihm für die Hamburger Handballer geblockte Zimmerkontingent in einem Kölner Hotel. In Köln wird am 29./30. Mai das Final four gespielt, ohne den HSV, dafür mit dem Titelverteidiger aus der 70 000-Einwohner-Stadt 200 Kilometer südlich von Madrid. Den Hamburgern entgehen mindestens 100 000 Euro an Prämien.

Während Gladeck schnell zur Arbeitsroutine zurückfand, raubte die 27:35-Niederlage (Hinspiel 26:22) den meisten Hamburger Spielern den Schlaf. "Wir haben nach Erklärungen gesucht", sagte Kapitän Guillaume Gille. Schon auf der zweieinhalbstündigen nächtlichen Busfahrt nach Madrid hatte die Mannschaft mit der Aufarbeitung begonnen. Es wurde geredet, kritisiert und analysiert, "einen schlüssigen Grund, die Ursache für unsere schwache Vorstellung", so Gille", haben wir bisher nicht gefunden".

Der Wille ist den HSV-Handballern im Gegensatz zu den Fußballern mit denselben drei Großbuchstaben nie abzusprechen, Und wenn Sportchef Christian Fitzek befand, "es fehlte diesmal der Biss", durfte der Satz nicht als Klage über die Einstellung missverstanden werden. Er war die Beschreibung des Spielverlaufs. "Wir haben fast alle Zweikämpfe verloren, das ist gegen einen Gegner dieses Niveaus nicht zu kompensieren." Bei der Frage nach dem Warum zuckte der Sportchef die Schultern. Handball sei eben ein Spiel, in dem singuläre Ereignisse ein gesamtes Konzept binnen weniger Minuten ad absurdum führen könnten. Fitzek: "Im Hinspiel haben wir in der zweiten Halbzeit 17:10 geführt. Da waren die Spanier von der Rolle, da stimmte bei ihnen in Angriff und Abwehr nichts mehr - wie an diesem Sonntag bei uns. Danach haben wir die Konsequenz vermissen lassen, unser Spiel durchzuziehen. Stattdessen haben wir vier Gegentreffer in Folge kassiert. Ciudad Real dagegen hat uns im Rückspiel kein Comeback gestattet." Vielleicht sei das noch der Unterschied zwischen beiden Mannschaften.

So weit wollte Martin Schwalb nicht gehen. Der HSV-Trainer war bemüht, die Niederlage als normalen sportlichen Betriebsunfall darzustellen. "Keiner unserer Spieler hatte seinen besten Tag. Dann wird hier ein Ball verloren, dort ein Wurf zu früh genommen, die Automatismen klappen nicht, plötzlich fehlt die Selbstsicherheit. Und vergessen Sie bitte nicht: Wir haben gegen die beste Handball-Mannschaft der Welt gespielt, wir schweben nun mal nicht über den Wolken." Dem Coach missfällt schon lange, mit welcher Selbstverständlichkeit über Siege hinweggegangen wird, Niederlagen aber Sinnkrisen auslösen können.

Schwalb würde am liebsten zur Tagesordnung übergehen, das Bundesligaspiel am nächsten Sonnabend in Düsseldorf vorbereiten, schließlich "wollen wir in dieser Saison noch Meister werden". Da gilt es vor dem Gipfeltreffen am 22. Mai gegen den THW Kiel störende Einflüsse zu minimieren. Abhaken, Mund abwischen und weitermachen lautet die Philosophie des Trainers, um seelischen Schaden von der Mannschaft zu nehmen. Andreas Rudolph hat ihn bereits verstanden. Der Präsident nahm seine Spieler in den Arm und lud sie zu Bier und Wein ein. Nichts anderes hätte er nach einem Sieg in Ciudad Real getan. In dieser entscheidenden Phase der Saison ist vor allem Routine gefragt. Sie ist der beste Schutzschild.

HSV-Kreisläufer Igor Vori droht nach seiner Roten Karte in Ciudad Real wegen Tätlichkeit ein Spiel Sperre in der Champions League.