Der neue gesetzliche Stundenlohn von 8,50 Euro stellt die kleinen Fußballvereine vor Probleme. Sogar Spieler ohne Vertrag können jetzt klagen. Einige Oberligisten nehmen bereits rechtliche Hilfe in Anspruch.

Hamburg . Fynn Hunekes Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Natürlich werde ich keinen Mindestlohn vom Verein einfordern. Fußball ist mein Hobby“, sagt der 20-jährige Mittelfeldspieler des Niendorfer TSV. Huneke ist ein Eigengewächs der NTSV-Jugend, seit eineinhalb Jahren bereichert er mit seinem Können die Niendorfer Oberligamannschaft. Während der Saison besteht eine normale Trainingswoche für ihn und seine Mitspieler aus drei neunzigminütigen Einheiten und einer Oberligapartie. Mit An- und Abreise kommt einiges zusammen. „40 Stunden Aufwand pro Monat habe ich vermutlich“, sagt Huneke. 100 Euro Festgehalt erhält er dafür vom NTSV, einem klassischen Breitensportverein. Dazu kleine Prämien für Einsätze und Punkte. Die Chance, den seit 1. Januar gültigen Mindestlohn von 8,50 Euro zu fordern und sein Festgehalt auf 340 Euro (bei 40 Stunden) zu erhöhen, lässt Huneke jedoch verstreichen. „Die Vereine müssen sich schließlich finanzieren. Oberligaspieler können bei guter Leistung mehr verdienen. Aber sie sollten es nicht auf diese Weise erzwingen“, findet das Talent. Die Frage ist, ob künftig alle Amateurfußballspieler so handeln werden wie Huneke.

Ihre Chancen auf einen Mindestlohn stehen nämlich gar nicht so schlecht – auf den ersten Blick ein krasser Widerspruch. Schließlich spielen 99 Prozent aller Spieler im Amateurbereich nicht, um sich damit ihre finanzielle Existenz zu erhalten. „Wir prüfen gerade, welche Kosten auf uns zukommen könnten und wie wir uns aufstellen“, sagt Niendorfs Manager Carsten Wittiber. Müsste der NTSV für alle seine 25 Spieler im Kader 340 Euro und zusätzliche Sozialabgaben von im Schnitt 110 Euro pro Akteur bezahlen, würde der Etat gewaltig belastet. Die gleiche Problematik betrifft das Funktionsteam mit Trainern und Betreuern.

Schon als die Große Koalition das Mindestlohngesetz, das prekären Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirken soll, ausarbeitete, wiesen Sportrechtler auf Probleme hin. In den unteren Klassen gibt es zwar genügend Vereine, wo am Saisonende als „Bezahlung" nur ein Kasten Bier spendiert und Fußball nur als Freizeitsport betrieben wird. Ab der Bezirksliga sind in Hamburg aber kleine finanzielle Gegenleistungen keine Ausnahme mehr, in der Oberliga Normalität.

So entschied die Koalition, Aufwandsentschädigungen bis zu 200 Euro pro Monat (für Ehrenamtler weiterhin steuerfrei) vom Mindestlohn auszunehmen und das Thema Amateur- und Vertragssportler gleich mitzuerledigen. Im Mittelpunkt der ehrenamtlichen Tätigkeit müsse der Wille stehen, „sich für das Gemeinwohl einzusetzen“, heißt es in dem Beschluss. „Auch Amateur- und Vertragssportler fallen nicht unter den Arbeitnehmer-Begriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehen.“

Aber treffen diese Kriterien auf höherklassige Amateurspieler zu? Als ums Gemeinwohl besorgte Ehrenamtler sind sie eher nicht zu kategorisieren. Rechtsanwalt Patrick R. Nessler bescheinigte dem Gesetzgeber jedenfalls in einem Beitrag für die Internetseite des Hamburger Fußball-Verbandes, dieser habe „mal wieder handwerklich schlecht gearbeitet". Er hält es für möglich, dass auch Amateursportler auf den Mindestlohn klagen – und Recht bekommen. Ihm schließt sich ein Hamburger Steuerfachmann an, der nicht namentlich genannt werden möchte: „Die Spieler befinden sich durch die neue Gesetzgebung in einer starken Machtposition. Es muss nur einer klagen. Dann ist alles möglich.“ Dies könne schneller geschehen als gedacht, wenn sich ein Akteur mit seinem Verein überwerfe. „Er könnte dann argumentieren, dass er für Geld bei jenem Verein spielt, sein Gehalt aber nicht dem Mindestlohn entspricht, und er diesen nun gern bezahlt haben will. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Vereinbarung mündlich oder schriftlich geschlossen wurde. Auch mündliche Verträge zählen“, so der Experte.

Einige Clubs suchen bereits rechtliche Hilfe

Ein solcher Fall würde eine enorme Sprengkraft entfalten. Einige Oberligisten nehmen, so wie der Niendorfer TSV, bereits präventiv rechtliche Hilfe in Anspruch. Ganz egal, ob sie mit ihren Spielern nur mündliche Absprachen, sogenannte schriftliche Vereinbarungen oder einen Vertrag geschlossen haben, der die Akteure zu Vertragsspielern macht und ihnen 250 Euro Lohn im Monat garantiert.

Bezüglich der möglichen Folgen reagieren viele Vereine in Hamburgs höchster Spielklasse trotzdem gelassen. Vorerst. „Ich sehe da aktuell keine Gefahr für uns“, sagt Barmbek-Uhlenhorsts Präsident Frank Meyer. „Wir schließen fast immer mündliche Vereinbarungen mit den Spielern. Die halten wir ein. Würde ein Spieler wirklich den Mindestlohn wollen und wir könnten das nicht bezahlen, müsste er sich leider einen neuen Verein suchen.“

Auch Hans Jürgen Stammer, Präsident des Tabellenführers SV Halstenbek-Rellingen, bleibt entspannt. „In einem solchen Fall würden wir uns das ausrechnen. Eventuell müsste der Spieler dann weniger trainieren, damit es mit den Stunden passt.“

Eine Klage halten Meyer und Stammer für unwahrscheinlich. Ebenso Sven Piel, Manager des Oberligisten SC Victoria. „Es ist ein spannendes Thema, dessen Entwicklung wir natürlich sehr genau verfolgen werden. Aktuell sehe ich aber keine großen Probleme für den SC Victoria.“ Im Gegensatz zu Barmbek-Uhlenhorst und Halstenbek beschäftigt Victoria nur Vertragsspieler.

Genau dieser Fall sei nun klar geregelt, sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV). „Für Vertragsfußballspieler gilt ab sofort der Mindestlohn. Selbst wenn der Junge in der Kreisliga kickt. Wenn er einen Vertrag hat, hat er den Mindestlohn zu bekommen. Und in der Oberliga sind 40 bis 50 Stunden pro Monat wohl der absolute Mindestaufwand für einen Fußballer, da nicht nur Spiel und Training zählen“, so führt Baranowsky aus.

Reine Amateure mit mündlichen Vereinbarungen wie in Barmbek oder Halstenbek haben es aus seiner Sicht schwerer. „Da ist der Einzelfall zu prüfen. Die Frage ist immer, ob ihre Tätigkeit als Liebhaberei einzustufen ist und eine reine Kostenerstattung vorliegt. Diese reine Kostenerstattung muss dann belegt werden. Ob der verbandsrechtliche Amateurstatus arbeitsrechtlich bestätigt wird, ist eine spannende Frage“, so Baranowsky. Grundsätzlich biete die VDV jedem, der den Mindestlohn will, gerne eine Beratung an.

Niendorfs Fynn Huneke wird nicht vorbeikommen und den Tipp der VDV, schriftliche Aufzeichnungen über den eigenen Aufwand zu führen, nicht annehmen. Eine Profikarriere bleibt sein Traumziel. Klappt es, gilt auch für ihn der Mindestlohn. Ganz sicher.