Mit einer virtuellen Reise lässt sich die Welt erkunden. Das letzte Geheimnis raubt der Dienst den schönsten Flecken der Erde nicht.

Manchmal fliege ich mit Google Earth um die Welt, zoome mich in Winkel, in denen ich noch nie war, schaue Satellitenbild-Weltkarten an und klicke mich in die Hinterhöfe von Weltstädten oder in einsame Wüsten. Manchmal einfach so an unbekannte Ecken, manchmal ganz gezielt vor einer konkreten Reise an den jeweiligen Ort. Und anschließend bereue ich es regelmäßig: weil es so viel vom Geheimnis des Reisens nimmt. Weil ich dann schon weiß, was hinter der nächsten Ecke am Ende einer Straße kommt. Weil ich die versteckte Burg, das Schloss hinter der Biegung, die grandios schöne Oase hinter den Dünen der Wüste schon gesehen habe, die eigentlich eine Überraschung hätten werden sollen. Wie ärgerlich, dass man am Computer zu viel erfährt, noch ehe man wirklich losfliegt, um auf Entdeckungstour zu gehen - und dass ich trotzdem immer wieder der Versuchung erliege, zuvor genau dort nachzuschauen.

Neulich zoomte ich zu Hause die Küste Südportugals entlang, einfach so, ganz ziellos - und entdeckte Inseln, von denen ich noch nie gehört hatte: Culatra zum Beispiel, Armona gleich nebenan. Mit Muschelbänken und Fischerbooten, mit Leuchtturm und Traumstrand. Inzwischen bin ich hingereist, weil das Satellitenbild so verlockend war - ganz herkömmlich, mit Flugzeug und Fähre. Auch das geschieht: dass das Luftbild auf dem Computer derart neugierig macht, dass daraus eine reale Reise wird.

Und das letzte Geheimnis nimmt zum Glück auch Google Earth den schönsten Flecken dieser Welt nicht. Denn der Computer weiß nicht, wie die Leute dort lachen, wie sich ihr freundschaftlicher Schlag auf die Schulter in der Bar anfühlt, was der Leuchtturmwärter beim Feierabend-Bier erzählt, wie das Meer riecht, wie sich der Sand anfühlt. Oder wie die gegrillte Dorade schmeckt.

Google Earth ist ein schönes Spielzeug, eine Reise im Geist nur, mit ein paar Details, mit hoher Auflösung und hilfreicher Darstellung. Aber mehr nicht. Manchmal vergisst man das. Am Ende bleibt diese Erkenntnis: wie schön, wirklich hinreisen zu können - und die Menschen dort kennenzulernen. Sie sind der Grund allen Reisens. Da nimmt der Rechner nichts vorweg. Ihretwegen fährt man ein zweites, ein drittes und schließlich ein wer weiß wievieltes Mal wieder hin.