Bath ist dank einmaliger Architektur wohl die schönste Stadt des britischen Königreichs - und war bereits vor fast 2000 Jahren ein Wellness-Ziel.

Bath. Peter Dickinson erinnert sich noch sehr genau: Wie die Luftalarmsirenen plötzlich losheulten, gegen kurz nach 21 Uhr, als er gerade ins Bett wollte. Wie seine Heimatstadt Bath Sekunden später taghell wurde im Scheinwerferlicht herannahender Flugzeuge. Und wie nachfolgende Maschinen ihre Bomben abwarfen. Der damals 17-Jährige rannte in den Luftschutzbunker, sah noch die Explosionen im Combe Park und beim Krankenhaus. Es war Sonnabend, der 25. April 1942, der erste Luftangriff deutscher Bomber auf die Stadt am Fluss Avon. Die Nazis wollten Vergeltung für britische Angriffe auf Lübeck und Rostock. Sie wählten mit Bath, Exeter und York bewusst völlig ungeschützte und strategisch unbedeutende Ziele - aus einem Reiseführer. "Baedeker Blitz" heißen diese Bombardements daher. Allein in Bath starben dabei an zwei Tagen mehr als 400 Menschen.

Daran erinnert heute noch die "Bath Blitz"-Gedenkstätte, aber nichts mehr im Stadtbild. Die meisten Straßen hinunter ins Stadtzentrum sind gemütliche Berg-und-Tal-Fahrten entlang lindwurmartiger Reihenhauszeilen oder schmucker Villen. Kaum ist eine der Avon-Brücken überquert, steht man schon am Pump House. Hier verkaufen die sogenannten "Pumper", meist in historische Trachten gewandet, frisch gezapftes Wasser im Glas. Es sprudelt aus der heißen Quelle unterhalb der Stadt und enthält angeblich 43 Mineralien. Ärzte im 18. Jahrhundert verordneten es gegen Gicht, Krätze, Wackelkopf und Lethargie. Heute räumen aber selbst glühende Quellen-Verehrer ein, die brackige Brühe sei wirkungslos.

+++Von Käse, Kaviar und heißen Quellen+++

Dennoch, das blubbernde, etwa 44 Grad heiße Wasser ist seit jeher die Quelle der besonderen Bedeutung von Bath und wohl auch Namensgeber der 85 000-Einwohner-Stadt. Die Römer bauten hier ab 75 nach Christus rund um die heißen Quellen so etwas wie den ersten Wellness-Tempel Englands: ein mehrstöckiges, ausladendes Bade- und Wohlfühlhaus mit Feiluftbecken. Es ist nahezu vollständig erhalten, sodass Besucher hindurchwandeln können und sich mitten in einem Sandalen-Film mit Richard Burton und Liz Taylor wähnen, erst recht, wenn Laiendarsteller im altrömischen Tunika-Gewand am Pool das süße Leben zu Zeiten der römischen Kaiser darstellen. Einige von ihnen blicken von der Brüstung gönnerhaft hinunter ins moosgrüne Wasserbecken.

Drinnen, beim Rundgang durch die ausgegrabenen Thermen und Saunen, wird nicht nur klar, dass die Römer architektonische "Bade-Meister" waren, sondern auch, welche Funktionen die heißen, der Göttin Minerva geweihten Quellen noch hatten: In den 1970er-Jahren fanden Archäologen hier dünne, zusammengerollte Bleitafeln mit eingeritzten Inschriften: "Wer immer mein Bronzegefäß entwendet hat, ich bringe ihn der Göttin Minerva dar, auf dass er für immer büßen möge!" Zumeist solche Verwünschungen warfen die Menschen damals ins heiße Quellwasser - in der Hoffnung auf Erfüllung.

Ein paar Schritte außerhalb der Stadt ist schon wieder dieses für Bath typische Zeitmaschinen-Gefühl. Eben noch im Sandalenfilm, fühlt man sich jetzt ins 18. Jahrhundert gebeamt - eine Ära der Weltmacht Großbritannien, fußend auf Kolonialherrschaft und Sklavenhandel. Dominanz und Reichtum, die das Land in Prachtbauten demonstriert, vor allem in Bath, denn hier konnten sich die Architekten John Wood der Ältere und später sein gleichnamiger Sohn ab 1754 eindrucksvolle Monumental-Denkmäler setzen:

+++Rom: Der Reiz des Alltags in der Ewigen Stadt+++

"The Circus" etwa, ein kreisrundes Ensemble aus 33 herrschaftlichen Wohnhäusern, dreistöckig und strukturiert durch dorische, ionische und korinthische Säulen. Eine Straße weiter: "The Royal Crescent", ein 184 Meter langer, geschwungener Halbmond aus 30 Bürgerhäusern, ebenfalls erbaut aus dem typischen goldgelben "Bath Stone". Diese Fünf-Sterne-Reihenhaussiedlung mit XXL-Privatwiese vor den Türen ist die größte ihrer Art und wurde in Großbritannien oft kopiert, aber nie erreicht. Hier und am Circus wohnten Prominente der damaligen Zeit - Premier William Pitt oder Afrikaforscher David Livingston, nicht zuletzt, weil Bath ab 1700 ein mondäner Ort der britischen High Society war. Ihr Zampano und Zeremonienmeister war Richard Naish. Als 31 Jahre alter Glücksritter kam er 1704 nach Bath, tadellos gekleidet und mit einer Vision.

Der Prototyp des Dandys komponierte nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Gästen der feinen Gesellschaft ihren Kuraufenthalt durch, stellte Benimmregeln auf, veranstaltete Konzerte, Bälle und Empfänge, Morning- und Afternoon-Teatimes. Das Pump House bei den Thermen war Kontakthof und Eheanbahnungs-Institut. Noch heute hängt hier ein Porträt von Richard Naish. Doch wer einen frühen George Clooney oder Gunter Sachs erwartet, wird enttäuscht. Der Beau des 18. Jahrhunderts könnte ein Bruder des beleibten deutschen Schauspielers Dieter Pfaff sein, Hauptdarsteller der Serie "Der Dicke".