Einmal im Monat: die Reisekolumne von Uwe Bahn. Dieses Mal mit kuriosen Szenen an der Nord- und Ostsee.

Zehn Euro für einen Strandkorb. Mancher murrt da. Ich zahle das gerne. Denn was ich dafür geboten bekomme, ist jeden Cent wert. An Nord- und Ostsee spielen sich in diesen Tagen Szenen ab, an denen Mister Bean Monate sitzt.

Szene eins: Vati baut eine Strandmuschel auf. Letztlich geht es nur darum, ein einteiliges Fieberglasgestänge in die passenden Taschen der Polyesterhaut zu schieben und dann alles mit Heringen straff zu ziehen. Fertig. Aber der Mann vor meinem Korb studiert eine Betriebsanleitung, als müsse er das Zelt vom chinesischen Staatszirkus errichten. Mal schaut er aus einem Loch der Plane, mal verschwindet er für eine halbe Stunde in dem Knäuel, das mal eine Strandmuschel werden soll.

Als ich seine Ehefrau später allein in einem Strandkorb entdecke, weiß ich, dass Vatis Mission gescheitert ist. Und die Ehe vermutlich auch.

Hauptdarsteller der zweiten Szene sind diese älteren missmutigen Herren, die Erich Mielke wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Sie haben um ihren Strandkorb einen antifaschistischen Schutzwall gezogen. Könnte man meinen, würde da nicht oben auf dem Korb eine gesamtdeutsche Fahne wehen. Übrigens seit 1966, denn so lange haben sie Jahr für Jahr denselben Strandkorb. Fliegt dann zum dritten Mal ein Nivea-Ball auf ihr Terrain, folgt ein 20-minütiges Plädoyer für die Prügelstrafe.

Szene drei: "Klack, klack, klack, klack" - ja das ist der Sound vom Beachball. Zwei Geschwisterkinder betreiben seit drei Stunden dieses Rückschlagspiel. Das heißt: Seit drei Stunden ploppt ein Hartgummiball im Halb-Sekunden-Takt auf ein Brett. Wissen Sie, wie viele Klacks das sind? Mehr als 7000 (Pausen und versprungeneBälle schon abgezogen). Aber Beachball ist der Klassiker, der mir am Strand sehr fehlen würde. Vor allem vor den Strandkörben der anderen.

Szene vier: Drachen steigen lassen. Das war früher ein Herbstzeitvertreib auf einem abgeernteten Stoppelfeld. Heute ist es vor allem an der stürmischen Nordsee Hochleistungssport. Reichte damals eine Schnur, ist es heute ein ganzes Gestrüpp an Bändern, das den Drachen hält. Der Drachen selbst hat ungefähr die Größe des Landefallschirms einer Raumfähre. Da werden erwachsene Männer zu Drachenbändigern, kämpfen einen einsamen Kampf gegen die Naturgewalten. Söhne schauen schreiend zu, sie würde der Drachen in die Weite des Himmels davonreißen.

Szene fünf: Kinder buddeln im Sand. Mittlerweile hat sich das Equipment der Kleinen derart perfektioniert, dass so manches Straßenbauamt blass wird. Eimer, Schaufel, Sieb - das war einmal. Heute haben die Lütten längst Mischmaschinen, Förderbänder und Lkw für den Abtransport. Würde man beispielsweise alle Kinder von St. Peter-Ording auf der A 7 einsetzen - es gäbe keine Baustellen mehr.

Szene sechs: Familien auf Muschelsuche. Sie wissen selbst: An jedem Strand liegen 300 Millionen Muscheln. Aber jeder Fund wird mit einem Geschrei begleitet, als sei in Grömitz der Goldrausch ausgebrochen.

Szene sieben: Ich schlafe erschöpft im Strandkorb ein.