1972 wurde von der Unesco das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt beschlossen. 890 Stätten wurden inzwischen auf die Liste des Welterbes gesetzt, darunter 33 in Deutschland.

Abendblatt:

Herr Bandarin, wie wird man als Weltkultur- oder Naturerbe in die Unesco-Liste aufgenommen?

Francesco Bandarin:

Die Länder selber bewerben sich mit ihren Stätten. Sie dürfen aber nur zwei Vorschläge pro Jahr einreichen. Einmal im Jahr trifft sich die Kommission, die sich aus Vertretern aus 21 Staaten zusammensetzt. Der ganze Prozess kann sehr lange dauern. Und von den Kandidaten wird nur ein Drittel ausgewählt.

Abendblatt:

Nach welchen Kriterien?

Bandarin:

Die Stätten sollen einen außergewöhnlichen, universellen Wert besitzen. Insgesamt müssen sie zehn Kriterien erfüllen. Eins davon ist der einzigartige Ausdruck menschlichen Genies, zum Beispiel aus künstlerischer Sicht. Es kann sich auch um hoch spirituelle Stätten handeln wie der Tongareo-Berg in Neuseeland, der von den Maoris als heilig verehrt wird. Die Kriterien haben sich im Laufe der Zeit verändert. Galt früher die Auffassung von Kultur lediglich dem Monument, kann es sich jetzt auch um eine kulturelle Landschaft handeln, wie die Reisterrassen auf den Philippinen, eine Weinlandschaft in Bordeaux oder Bewässerungssysteme in China, also eine Kombination aus menschlicher Arbeit und Natur.

Abendblatt:

Das Welterbezentrum ist eine Partnerschaft mit TripAdvisor eingegangen. Die weltweit größte Reisecommunity soll Sie beim Schutz der Welterbestätten unterstützen. Wie geht das?

Bandarin:

TripAdvisor ist ein wichtiges Fenster zum Realitätscheck. Mehr als 25 Millionen Besucher pro Monat sind jetzt aufgerufen, aktiv für den Schutz und Erhalt der Welterbestätten einzutreten. Von ihren Eindrücken vor Ort übermitteln sie wertvolle Informationen über den Zustand der Stätten, damit wir sie wiederum besser schützen können. TripAdvisor hat das Welterbezentrum zudem mit 1,5 Millionen Dollar unterstützt.

Abendblatt:

Es heißt, dass die Aufnahme des Wattenmeers in die Liste der Naturerbestätten eine Art Wiedergutmachung für die Streichung von Dresden war.

Bandarin:

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Meiner Meinung nach hat der Bürgermeister von Dresden die falsche Frage gestellt: "Wollt ihr eine Brücke?" Er hat aber nicht gefragt, ob die Bürger sie auch noch wollen, wenn Dresden dadurch als Welterbe gefährdet ist. Das Wattenmeer als Naturerbe wäre auch ohne diese Absage an Dresden in die Liste aufgenommen worden.

Francesco Bandarin ist seit 2000 Direktor des Unesco World Heritage Centre.