Kein Badewetter, dafür entspanntes Sightseeing und gut gelaunte Gastgeber: Schon im Frühjahr ist die Türkei ein reizvolles Ziel.

Ein früher Märzmorgen am Strand von Belek, etwa 35 Kilometer von der südtürkischen Metropole Antalya entfernt. Die ersten Jogger laufen sich warm. Es ist frisch, aber sonnig. Asim und Tahsin schieben ein Boot ins ruhige Wasser, zwei Segler in Neoprenanzügen legen ab - Kurs: blaues Meer. Es wird ein klarer Tag, am Horizont leuchten weiß die Gipfel der Taurusberge. Noch bis Ende April laufen oben, in etwa 2400 Meter Höhe, die Unermüdlichen Ski.

Ein paar Gäste richten sich mit Windschutz am Strand ein. Für Türkei-Liebhaber hat gerade die schönste Jahreszeit begonnen. Es geht gelassen zu im Club MagicLife "Waterworld", kein Handtuchstreit, kein Andrang beim Bogenschießen. Gerade mal 230 Gäste genießen das milde Klima.

Spätestens in drei Monaten werden sich allein in diesem familienfreundlichen Club zehnmal so viele Urlauber amüsieren, und Yücel, der Chefkoch, wird doppelt schwitzen, wenn die Hitze über der türkischen Riviera brütet.

Auch in Antalya, das in der Hochsaison ein Tummelplatz für Touristen aus aller Welt ist, läuft das Leben zurzeit noch beschaulich ab. Die Straßenbahn, ein Geschenk der Partnerstadt Nürnberg, rollt mit einer Handvoll Passagiere den Cumhuriyet-Boulevard entlang, fast bis vors Tor des Hadrian. Sechzig Cent kostet die Fahrt in die Vergangenheit. Die Römer, die das Monument vor fast 900 Jahren zu Ehren ihres Kaisers bauten, schätzten vor allem den Wein aus Attaleia, wie die Stadt, die König Attalos etwa 150 Jahre vor Christus gründete, damals noch hieß. Daraus wurde Adalia und, viel später, unter der Herrschaft der Osmanen, schließlich Antalya. Der Koran hatte da schon lange den Wein verdrängt, Rosen wurden nun gezüchtet, aus ihrem Öl Parfüm gewonnen, süß und verführerisch, wie es die Türken lieben.

In der pittoresken Altstadt haben die Philosophen des Alltags jetzt viel Zeit für ein Schwätzchen und ein Wasserpfeifchen auf der Basis duftender Apfelschalen: der weißbärtige Maler Ömer Güngkör, der nur zu gern seine Werke und seine Weltsicht präsentiert, der Teppichweber Hasan, der immer einen Grund für eine Zigarettenpause findet, der Schuhputzer Süleyman, der sie alle kennt, die hohen Herren aus den Büros und Behörden, die sich bei ihm die Schuhe wienern lassen, bevor sie für mindestens drei Stunden ihr Lieblingslokal aufsuchen.

Kaleici, "innerhalb der Festung", heißt das historische Quartier von Antalya. Es wird überragt vom Yivli-Minarett, das zu einer 700 Jahre alten Seldschuken-Moschee gehört. Große Geschichte, kleine Geschichten, leicht zu finden zwischen den alten Mauern. Man muss sich nur verlaufen in diesem Gassengewirr, das einem bunten Teppich aus dem Orient gleicht, muss eintauchen in eine bucklige Welt voll kleiner Kostbarkeiten, die im Gedränge der Hochsaison kaum zu entdecken sind. In winzige Gärten schauen, aus denen die Früchte des Südens leuchten, einen Blick wagen in Innenhöfe , in denen ältere Männer auf Ottomanen liegen und dem Lauf der Dinge nachsinnen.

Eine Treppe führt zum Hafen hinunter. Bald werden die Gulet wieder auslaufen, die typischen Holzboote, deren hoher Aufbau an die liebevoll sanierten Erker in der Kaleici erinnern. Tagsüber fahren sie bis zu den imposanten Wasserfällen von Düder, abends steuern sie die Stranddiscos der Umgebung an.

In der Vorsaison lässt sich in den Cafes am Wasser oder den feineren Lokantas oben an der Altstadtmauer aufs Angenehmste die Zeit verträumen, bei einem Becher Ayran, dem salzigen Joghurtgetränk, oder einem Glas voll eisgekühltem Beyaz, dem fruchtigen Weißwein aus dem Norden. Ideale Orte, um sich auf Ausflüge in die klassische Kultur vorzubereiten.

Im antiken Theater von Aspendos, dem besterhaltenen in ganz Kleinasien, oder in den nur ein paar Autominuten entfernten schattenlosen Ruinen von Perge ist es jetzt noch möglich, ganz allein auf sonnenwarmen Steinen zu sitzen und sich in hellenistische, römische und byzantinische Zeiten zurückzuversetzen. Oder auch, als Kontrast, einen Ausflug ins Hinterland zu machen, in eine Gegenwart, die nur wenig mit der von Belek und Antalya zu tun hat.

Der Bus fährt durch eine mediterrane Landschaft, vorbei an Schafherden, die unter alten Olivenbäumen grasen, an Baumwoll- und Sesamfeldern, an üppigen Obstgärten und saftig grünen Gemüsebeeten. Die Dörfer vor dem Taurusgebirge wirken wie aus der Zeit gefallen, zum Beispiel Camili. Im einzigen Gasthaus tischt der Wirt unter einer Pergola Ziegenkäse und Wassermelonen auf, frisches Fladenbrot, Hirtensalat und Kukurec, die geröstete Wurst aus dem Inneren des Hammels.

Besuch bei Familie Toprak, die von einer kleinen Landwirtschaft und der Webkunst der Hausfrau lebt. Mutter Nerina bietet Tee und Gebäck an, Seynep, die jüngste Tochter, gerade 15 geworden, erzählt von ihrem Traum: Pilotin will sie werden, wenn es anders nicht klappt, sogar beim Militär. Sie trägt kein Kopftuch wie ihre Mutter, aber am Halsband leuchtet das blaue Auge der Fatima, der Prophetentochter. Der Talisman soll sie vor dem bösen Blick schützen und ihr Glück bringen, so wie er Chatidye Glück gebracht hat, die in Ankara Ökonomie studiert, und auch Selvehan, der Ältesten, die in Antalya an einem Gymnasium unterrichtet.

Im Zentrum dieses Dorfes hocken die älteren Männer im Kaffeehaus, dem Kahve, wie sie es in jedem Dorf zwischen Ägais und Anatolien tun. Auch Mustafa Toprak, der Vater, sitzt dort bei Kaffee und Wasser mit seinen Freunden, würfelt, spielt und ordnet die Regierung neu. In den Gesichtern dieser Männer spiegelt sich die wechselvolle Geschichte des Landes: Mit etwas Fantasie kann man griechische, persische oder noch fernere Vorfahren in ihnen entdecken. Diese Region zwischen Meer und Bergen wird auch Pamphylien genannt, "das Land der vielen Völker".

Vater Toprak war Lastwagenfahrer und ist jetzt, nach einem Unfall, Frührentner. Das Geld, das die Auberginen, das Obst, die fünf Kühe und die schönen Tücher einbringen, die Nerima webt, bessert seine schmale Rente auf. Mustafa liegt, das betont er immer wieder, vor allem das Wohl seiner Töchter am Herzen. Ein Raki zum Abschied und noch einer. Güle, güle, auf Wiedersehen, und wenig später zucken schon wieder die Neonlichter von Antalya, der Millionenstadt, in der kurzen Dämmerung.

Am Strand von Belek, auch nicht weit weg von Camili und doch Lichtjahre entfernt, ruft Attila, der DJ, über die Lautsprecher von Magic Radio zur "Show Time" auf. Yücel legt genüsslich die ersten Garnelen auf den Grill und reibt schon mal die Lammchops mit reichlich Knoblauch ein. Murat und Osman mixen an der Wunder-Bar wunderbare Caipirinhas.

Wind kommt auf, und wer bis jetzt am Pool geblieben ist oder vor dem Galadiner rasch noch einen Strandspaziergang machen will, muss sich einen Pullover über die Schultern legen. Ein Caipi macht eben noch keinen richtigen Sommer.