Einst machte der Venuskult Furore, nun können Winzer, Köche und das Kunsthandwerk den Fremden beglücken.

Der Landstrich, den mir mein Taxichauffeur auf der Fahrt vom Flugplatz nach Trapani mit einem Extraschwenk unbedingt zeigen will, wirkt wie ein impressionistisches Gemälde: ein ungewöhnliches Szenario mit rot schimmernden Windmühlen zwischen endlosen Wasserbecken und glitzernden Salzbergen, darüber ein azurblauer Himmel. Es sind die Salinen. In alten Zeiten war das sizilianische Trapani eine blühende Handelsstadt, werde ich aufgeklärt. Halb Europa wurde damals mit dem "weißen Gold" beliefert. Im 9. Jahrhundert kamen die Araber und brachten den Fischern die Technik der "mattanza", des kollektiven Thunfischfangs bei. Ein blutiges Gemetzel, bei dem die Tiere zu Tausenden in Netzkammern getrieben und mit gewaltigen Haken an Bord gezogen werden. So entwickelte sich an der Westküste eine ganze Thunfischindustrie.

Das grausige Fangsystem wird noch heute praktiziert, doch die Zeiten der reichen Beute, nörgeln die Fischer, seien vorbei. Der schnelle Thunfisch, der vor der Küste Skandinaviens jagt, aber in den warmen Gewässern Siziliens laicht, wird durch Überfischung und Umweltverschmutzung immer seltener. Thunfilet ist Luxus geworden. In einigen der ehemaligen Konservenfabriken wurden Museen oder Kulturzentren untergebracht.

Trapani erweist sich heute als ruhige Provinzhauptstadt - mit zahllosen Privatbanken und Modegeschäften, dazu eine Handvoll Restaurants, die überwiegend von Touristen besucht sind. "Anders als in Neapel oder Palermo", erzählt der Ober in einer Trattoria am Fährhafen, als er Cous-Cous mit pikanter Fischsuppe bringt, "spielt sich das Leben der Trapanesen in der Familie ab. Man ist am liebsten unter sich." Jedenfalls solange es nicht um Festivitäten geht. Wenn Ende September das Cous-Cous-Fest in Capo San Vito gefeiert wird, ist ganz Trapani dabei, um zu erleben, wer unter den Teilnehmern aus aller Herren Länder mit welchem neuen Rezept den Wettbewerb gewinnt. Das ursprünglich arabische Gericht fehlt auf keiner Speisenkarte.

Nicht nur Kulinarisches, der Dialekt und der Schirokko, der heiße Wüstenwind, erinnern in dieser Ecke Siziliens daran, dass nur knapp 150 Kilometer die Insel von Nordafrika trennen. Vielerorts, vor allem in Mazara del Vallo, schaut man häufig in arabische Gesichter. Die von Dattelpalmen umgebene verwitterte Normannenburg, die wie zum Fotografieren an die Küste gesetzt scheint, steht nicht für die Identität des Städtchens. Denn in der Altstadt wimmelt es von tunesischen Fischern und Hafenarbeitern. Finstere Kneipen rufen Erinnerungen an Paul Bowles' Geschichten über Tanger wach. Gleich dahinter beginnt die Kasbah: weiß, kahl und staubig. Niemand will mich da hineinbegleiten. Hier und da über den Ladentüren Schilder in arabischer Schrift. Ein ausgegrenzter Stadtteil. Die Menschen hier, zum Teil seit Generationen auf der Insel, besitzen italienische Pässe, doch im Herzen sind sie ihrer ursprünglichen Heimat treu geblieben. "Das ist regulär", meint Ciro, ein gewiefter junger Barkeeper, flott. Ciro serviert Feinschmeckern in einer Degustationsbar im Zentrum Marsalas bis in die Nacht hinein Qualitätsweine zum Kosten. "Drei Jahrtausende lang haben sich hier die Phönizier, die Kalifen und die Normannen die Türklinke in die Hand gegeben. Wissen Sie, dass Marsala auf das arabische "Marsa el-Allah", Hafen Gottes, zurückgeht? Wir sind hier ein kultureller Cocktail."

In Marsala kennt man sich in Sachen Cocktails und Wein aus. Das 80 000-Einwohner-Städtchen mit seiner hübschen, gepflegten Innenstadt ist Vermarktungs- und Kellereizentrum für den bernsteinfarbenen Dessertwein, der den Namen der Stadt trägt und von Firmen wie Florio oder Ingham-Whitaker in alle Welt exportiert wird. Mit den Spezialitäten des Hauses dekorierte Tische vor den Eingängen der Läden und Bars deuten darauf hin, wo man vielleicht einen guten Marsala probieren kann.

Das bietet sich vor der "passeggiata" an, dem rituellen Spaziergang zwischen Nachmittag und Abend. "Zwischen Marsala und Trapani besteht eine heimliche Rivalität", belustigt sich Ciro, "was Zeitvertreib und Amüsements angeht. Bei uns ist abends immer etwas los. Doch Trapani hat nur den Corso Vittorio Emanuele, den Salon der Stadt, der abends wie eine Bühnendekoration aussieht, und ein paar elegante Seitenstraßen."

Von Trapani ist es nur ein Sprung bis nach Erice, der legendären, 750 Meter hoch gelegenen Stadt. Der Mythos besagt, Eryx, Sohn der Aphrodite und König der Elymer, habe sie gegründet. Man erreicht den Berg, der etwas an den griechischen Olymp erinnert, mit der Seilbahn oder über eine kurvenreiche Straße. Der dort im Tempel einst praktizierte Venuskult mit seinen Liebesritualen soll Jahrhunderte lang Freier aus aller Welt angezogen haben. Heute ist man auch hier in den kopfsteingepflasterten Gassen mit kleinen Hotels, Handwerkerläden und Antiquitäten auf Tourismus eingestellt. Die Eryxer sind stolz auf ihre Keramik und die handgewebten Wandteppiche in leuchtenden Farben. Steigt man - an alten Kirchen und zyklopischen Mauern vorüber - den Turm des Kastells empor, geht der Blick weit über Sizilien.