Ahrensburger Neubaugebiet für 1000 Bewohner ist eines der größten im Land. Täglich transportieren Lastwagen rund 1640 Kubikmeter Erde ab.

Ahrensburg. Sand wirbelt neben den Getreidefeldern an der Bundesstraße 75 auf. Die Staubwolke trübt die Sicht auf die Bäume wie ein milchiger Schleier. Dann zieht sie über die Straße in Richtung des Ahrensburger Stadtteils Gartenholz. Der Schwerlaster, der den Sand aufgewirbelt hat, wartet an der behelfsmäßig errichteten Ampel an der Einmündung zur Lübecker Straße auf grünes Licht. Schon ein flüchtiger Blick verrät, dass hinter ihm eins der größten Neubaugebiete Schleswig-Holsteins wächst. Auf 41 Hektar entsteht mit der Siedlung Erlenhof ein neuer Stadtteil für rund 1000 Menschen.

13 Lastwagen transportieren täglich im Rundumverkehr Erde aus dem 29 Hektar großen ersten Bauabschnitt ab. "Und zwar jeweils siebenmal", sagt Reiner Janoschek, der als Polier die Arbeiten leitet. Macht zusammen 91 Fahrten. Dabei verlassen gut 2700 Tonnen oder knapp 1640 Kubikmeter des klumpigen Bodens die Baustelle.

"Solch ein Erdreich ist wenig wasserdurchlässig", sagt Wolfgang Kirstein, Ingenieur bei dem Büro dänekamp und partner. Es hat den Plan der Siedlung erarbeitet und nun auch die Bauaufsicht im Auftrag des Trägers, der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). "Die Arbeit ist sehr maschinenlastig", sagt Kirstein, darauf angesprochen, dass kaum Arbeiter auf den früheren Feldern zu sehen sind. Auch für den Ingenieur ist die Größe des Erlenhofs "besonders". Nur gut 30 Menschen verstreuen sich in kleinen Kolonnen auf dem Gelände, das von der Bundesstraße rund 600 Meter bis zum Hof Stolze reicht.

Assistiert von einer Planierraupe und zwei Radladern buddeln derzeit acht Bagger im festen, klumpigen Boden. Sie heben zwei Regenrückhaltebecken aus und graben bis zu fünf Meter tiefe Schächte, in denen Wasser-, Gas- und Stromleitungen für die Ver- und Entsorgung von 65 Häusern verlegt werden, die auf dieser Fläche vom kommendem Jahr an errichtet werden.

Außerdem schürfen sie in das leicht wellige Gelände die schnurgerade Trasse der Zufahrtsstraße. "Da muss man ganz schön aufpassen, dass man keinen Kollegen verletzt", sagt Thomas Fuchs. Der 43-Jährige, der sich ein ärmelloses schwarzes Hemd über den Oberkörper gestreift hat, steuert eines der Kettenfahrzeuge. Im Schwenkbereich der Schaufel bewegen sich ständig ein oder zwei Kollegen. Sie stemmen beispielsweise Stützwände, die in die 1,20 Meter breiten Rohrschächte eingelassen werden. Fuchs muss nicht nur aufpassen, sie nicht mit der Schaufel zu treffen, von ihm wird auch Präzision verlangt. Denn die Schächte haben ein leichtes Gefälle, sodass das Wasser von allein durch die Rohre fließen kann.

Auch beim Straßenbau sind sowohl Umsicht als auch Genauigkeit im Umgang mit den tonnenschweren Raupenfahrzeugen gefragt. Dort geben Kollegen dem Baggerfahrer mit einer silberglänzenden Metallstange auf den Zentimeter exakt an, wie weit er das Erdreich abschaben soll. Der Punkt wird elektronisch mit einem speziellen Messgerät ermittelt, das in der Nähe der Tasse auf einem Dreibein montiert ist. "Ist die Schaufel auf der richtigen Höhe, gibt es einen durchgehenden Ton von sich", sagt David Drochner, 20, einer der Straßenbauer, die den Kollegen im Bagger anweisen. Hört er ein hohes und schnelles Piepsen, ist die Schaufel zu hoch, piepst es langsamer, ist sie zu tief.

Drochner seinerseits lässt dabei auch Vorsicht walten, um nicht von der Baggerschaufel getroffen zu werden oder unter die Ketten der Baufahrzeugs zu geraten: "Ich stelle mich immer so hin, dass mich der Fahrer sehen kann." Von Unfällen auf der Baustelle am Erlenhof muss Reiner Janoschek bisher nicht berichten. "Wir haben aber leider viel Baustellentourismus", sagt der Polier. Die künftigen Bewohner kämen gerne mal mit ihren Kindern vorbei. "Die haben hier nichts zu suchen, auch wenn ich verstehen kann, dass sie sich ihre Grundstücke ansehen wollen. Die bedeuten ja viel für ihr Leben", sagt der 56-Jährige weiter. "Aber die Baggerfahrer rechnen hier nicht mit weiteren Leuten. Da kann dann ganz schnell mal was passieren."

Reiner Janoschek ist viel unterwegs auf dem riesigen Areal. Nicht mal zur Mittagszeit kommen alle 30 Arbeiter zusammen. Vielmehr hocken sie dann in mehreren Bauwagen, in denen sie mit mitgebrachten Broten und Konserven ihren Appetit stillen und sich am Anblick barbusiger Pin-up-Girls erfreuen, die ihnen auf Postern entgegenlächeln - Männerwelt pur.

Die Größe des Geländes bedeutet für Janoschek weite Fußwege, auf denen stets ein Helm und Spezialschuhe zu tragen sind. "Ich habe keine fünf Minuten Ruhe", sagt der Polier. Meist habe er Nachfragen zu den Bemessungen zu beantworten. Nur hin und wieder werde er gerufen, weil ein Fahrzeug oder Gerät defekt sei.

So etwa, weil gerade die Hydraulik bei einem der Bagger ihre Dienste versagt. Die Monteure Robert Winter und Tom Kepler sind dabei, sie zu reparieren. Sie kommen wie Janoschek und die weitaus meisten seiner Mitarbeiter auf der Baustelle aus Rostock. Dort sitzt die beauftragte Baufirma Groth & Co.

Winter und Kepler werden für Notfälle vielerorts und je nach Bedarf eingesetzt. So geht es für sie nach getaner Arbeit auch gleich zur nächsten Baustelle. Der Polier und seine Kollegen schlafen unter der Woche hingegen in einer Unterkunft bei Lübeck, zu der ihr Arbeitgeber einen Bus-Service eingerichtet hat.

Bis Ende November werden sie noch mit der sogenannten Haupterschließung des ersten Bauabschnitts beschäftigt sein. Dabei wird übrigens von den 30-Tonnern nicht nur Erde ab-, sondern auch antransportiert. Dabei handelt es sich um lockeren Füllboden, wie Ingenieur Kirstein erläutert. "Der lässt sich besser verdichten als die ursprüngliche Erde." Benutzt wird dazu unter anderem eine sogenannte Rüttelplatte - das Gerät sieht aus wie ein Rasenmäher ohne Räder, dessen Motorwellen eine flache Metallplatte auf den Boden pressen.

Witterungsbedingt ruhen die Bauarbeiten bis zum Frühjahr 2014. Dann werden die ersten Häuser errichtet. Gleichzeitig beginnt die Erschließung des zweiten Bauabschnitts. Sandstaub wird also auch im kommenden Jahr noch vom Erlenhof-Gelände aufgewirbelt und durch die Ahrensburger Luft an der Lübecker Straße schwirren.