Schon jetzt gibt es Dutzende freie Stellen, aber keine Bewerber dafür. Die Zahl der Hilfsbedürftigen hingegen verdoppelt sich bis 2030.

Ahrensburg. Bis zum Jahr 2030 werden in Schleswig-Holstein voraussichtlich mehr als 13.000 Vollzeit-Pflegekräfte fehlen. Das entspricht etwa 74 Prozent der heute in dem Bereich Beschäftigten. Dem gegenüber steht die Prognose, dass bis 2030 die Hälfte der Bewohner Schleswig-Holsteins mehr als 50 Jahre alt sein wird. Das ergibt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, die Versorgungsszenarien für alle Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands aufzeigt.

Der Pflegebranche gehen also die Fachkräfte aus. Gleichzeitig werden die Menschen älter, es gibt mehr Hilfsbedürftige. Diese Entwicklung hat den Kreis Stormarn schon jetzt erreicht. "Es gibt derzeit 35 freie Stellen für examinierte Altenpfleger in Stormarn. Und keinen Bewerber, der eine solche Stelle sucht", sagt Stefan Schröder von der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe. "Das stellt ein großes Problem dar."

Und laut der Studie wird sich dieses Problem in den kommenden Jahren noch verschärfen. Nicht alle Kreise im Norden werden gleich stark betroffen sein, in Stormarn aber soll sich die Situation bis 2030 erheblich verschlechtern. Hier könnten dann 1800 Fachkräfte fehlen. Die Zahl der Pflegebedürftigen aber könnte von heute 4200 auf mehr als 10.500 steigen.

Zum Vergleich: In Lübeck werden laut der Studie 1100 Pfleger fehlen, die Zahl der Pflegebedürftigen könnte von 6500 auf 8500 steigen. Und in Nordfriesland wird es etwa 800 Pfleger zu wenig geben, obwohl auch dort mehr Menschen Hilfe benötigen: Diese Zahl könnte von heute 1800 auf 6000 ansteigen.

Dass die Situation sich gerade in Stormarn so zuspitzt, erklärt Margot Sinning (SPD), die Vorsitzende des Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistags, auch mit dem Bevölkerungswachstum. "Stormarn ist einer der wenigen Kreise, für die eine Bevölkerungszunahme prognostiziert wird", sagt die Kreistagsabgeordnete. Sie selbst hat früher in der Pflege gearbeitet. "Es ist ein sehr erfüllender Beruf", sagt sie, "aber die Arbeit ist sowohl körperlich als auch psychisch belastend und wird nicht gut bezahlt."

Außerdem sei die Arbeit im Vergleich zu früher schwerer geworden. "Dadurch, dass Menschen immer älter werden, gibt es auch mehr Kranke." Früher seien auch Menschen im Heim gewesen, die einfach alt waren, heute sei ein Großteil dagegen stark pflegebedürftig, etwa wegen einer Demenz. Um Menschen für eine Pflege-Ausbildung zu begeistern, müsse der Beruf attraktiver werden. Die Überlegungen der EU-Kommission, den Zugang zur Ausbildung auf zwölf Schuljahre anzuheben, hält sie für falsch. Dann gebe es nur noch weniger Fachkräfte. "Der Beruf soll doch attraktiver werden." Auch der Schichtdienst sowie der Einsatz an Wochenenden und Feiertagen würde manche abschrecken.

Diese Einschätzung kann Stephanie Engelmann vom Pflegedienst der Johanniter in Ahrensburg nur bestätigen. "Wenn wir eine Anzeige aufgeben, bekommen wir kaum Bewerbungen", sagt sie. Das liege vor allem an den Arbeitsbedingungen. "Denn ich denke, dass es genug junge sozial eingestellte Menschen gibt, die eigentlich gerne diesen Beruf ergreifen möchten", sagt Engelmann. Der Fachkräftemangel sei stark zu spüren. Bisher habe sie noch keine hilfsbedürftigen Kunden abweisen müssen: "Aber nur, weil unsere Mitarbeiter so toll sind und sich mehr einsetzen, als sie müssten."

Ihre Kollegin Petra Hahlbrock arbeitet schon viele Jahrzehnte in der Pflegebranche. Sie hat mit 15 als Schwesternhelferin angefangen, heute ist sie 50. "In den vergangenen Jahren habe sich die Situation deutlich verschlechtert. "Es ist schön, mit Menschen zu arbeiten", sagt Hahlbrock, "aber es gibt einfach zu viel zu tun."

Das Ministerium in Kiel befasst sich mit dem Pflegefachkräftemangel. So soll in den kommenden Jahren die Zahl der vom Land geförderten schulischen Ausbildungsplätze angehoben werden. Derzeit werden 1200 Stellen finanziert. Ab April 2013 soll es 200 zusätzliche Plätze geben, ab April 2014 weitere 200.

Margot Sinning nennt das "einen Tropfen auf den heißen Stein". Stefan Schröder von der Agentur für Arbeit Bad Oldesloe sagt: "Derzeit können wir die Ausbildung nur zwei Jahre fördern, sie dauert aber drei Jahre. So sind in unserem Bereich nur neun angehende Pflegekräfte in Ausbildung, weil diese die Zeit auf zwei Jahre verkürzen konnten, etwa weil sie Berufserfahrung haben." 46 Bewerber seien an dem Beruf interessiert, können aber nicht gefördert werden, weil sie die Ausbildung nicht verkürzen können. "Im Gespräch ist derzeit, ob nicht die vollen drei Jahre übernommen werden können."