Jeder siebte Jugendliche trinkt mindestens einmal in der Woche Alkohol. Suchtexperten betonen, dass die Familie eine Vorbildfunktion hat.

Bargteheide. Eine ältere Frau steht an der Kasse eines Supermarkts und blickt sich suchend um. Dann fragt sie die Kassiererin: "Wo finde ich denn das Koma, das jetzt alle saufen?" Die Mütter und Väter, die zum Alkoholpräventions-Elternabend ins Bargteheider Schulforum gekommen sind, lachen, als Petra Linzbach den Comic in ihrer Power-Point-Präsentation zeigt. Die Jugendschutzbeauftragte des Kreises informiert mit Ute Sauerwein-Weber, der Jugendbildungsreferentin der Stadt Bargteheide, Paul Binnet vom Beratungszentrum Südstormarn und Hinnerk Frahm von der Koordinationsstelle Schulische Suchtvorbeugung darüber, welche Angebote zur Alkoholprävention es in Stormarn gibt und wie sich Eltern bei dem Thema gegenüber ihren Kindern verhalten sollten.

Einige Besucher haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Eine Mutter berichtet von ihrem Sohn, der mit 14 Jahren zum ersten Mal mit Alkohol in Berührung kam. Seine Kumpel und er schmuggelten Schnaps in ihren Schultaschen zur Schule und trafen sich nach dem Unterricht auf einem Spielplatz, um die Flaschen zu leeren. Anschließend ließen die anderen Jungs den völlig neben sich stehenden 14-Jährigen bei eisiger Kälte allein zurück. Mit letzter Kraft konnte sich der Junge in ein Geschäft schleppen und seine Eltern anrufen. "Es hätte Schlimmeres passieren können", sagt die Mutter, die am nächsten Tag in Ruhe mit ihrem Sohn über den Fall sprach.

Hinnerk Frahm vor der Koordinationsstelle Schulische Suchtvorbeugung in Schleswig-Holstein bestätigt der Mutter, richtig gehandelt zu haben. "Es ist wichtig, nicht mit erhobenen Zeigefinger anzukommen, sondern im Gespräch sachlich zu bleiben", sagt er. Auch müsse Eltern bewusst sein, dass sie eine Vorbildfunktion haben. "Kinder gucken sich das Trinkverhalten ihrer Eltern ganz genau an. Wenn der Vater nach der Arbeit zu Hause immer als Erstes zu einem Entspannungsbier greift, beeinflusst das die Kinder."

Zudem sei es hilfreich, gut über Alkohol Bescheid zu wissen. Frahm: "Sonst wird man von den Kindern an die Wand diskutiert." Er hat für Eltern zehn Regeln parat, wie sie beim Thema Alkoholkonsum gegenüber ihren Kindern am besten reagieren sollten (rechts). "Unser Ziel ist es, dass die Jugendlichen einen risikoarmen Umgang mit Alkohol lernen", sagt Hinnerk Frahm. "Denn Alkohol gehört in unserer Gesellschaft zum Kulturgut. Deshalb bringt es nichts, den Konsum komplett zu verbieten."

Laut der aktuellen Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trinken 14 Prozent der 12- bis 17-Jährigen mindestens einmal pro Woche Alkohol. 15 Prozent haben in den vergangenen 30 Tagen mindestens einmal mehr als fünf Gläser alkoholische Getränke hintereinander konsumiert und gelten damit als "Rauschtrinker". Im Durchschnitt haben Jugendliche ihren ersten Alkoholrausch mit knapp 16 Jahren. Auffällig ist, dass die Zahl der stationären Krankenhausaufenthalte von Jugendlichen wegen einer Alkoholvergiftung stark gestiegen ist - und zwar von 9000 Mädchen und Jungen im Alter von zehn bis 20 Jahren im Jahr 2000 auf 26 400 im Jahr 2010. "Das hängt aber auch damit zusammen, dass Jugendliche heute viel schneller bereit sind, einen Krankenwagen zu rufen", sagt Hinnerk Frahm. Generell sei die heutige Jugend in Ordnung, was ihren Umgang mit Alkohol betreffe. Frahm: "Es gibt aber auch Ausnahmen. Und um die müssen wir uns kümmern."

Suchtmonster Stormarn: Schnelle Hilfe auch über Facebook

Paul Binnet besucht jedes Jahr viele Schulklassen in Stormarn. Immer mit dabei: das Suchtmonster, ein buntes Kuscheltier. Unter dem Pseudonym "Suchtmonster Stormarn" ist der Diplom-Psychologe auch beim sozialen Netzwerk Facebook zu finden. Wer Hilfe braucht, kann ihn dort jederzeit anschreiben. Binnet. "Ich berate dann per E-Mail oder Telefon."

Drug-Scouts: Jugendliche klären ihre Mitschüler über Alkohol auf

Die Drug-Scouts sind ein weiteres Projekt zur Alkoholprävention, das es in Stormarn gibt. An vier Schulen im Kreis werden dabei Schüler der achten und neunten Klassen ausgebildet, um ihre Mitschüler über die Folgen von Alkoholkonsum aufzuklären.

HaLT: Suchtberater kommen nach dem Komasaufen ins Krankenhaus

Das Projekt "HaLT - Hart am LimiT" richtet sich an Jugendliche, die mit einer Alkoholvergiftung in die Oldesloer Asklepios-Klinik oder ins St. Adolf-Stift nach Reinbek eingeliefert werden. Sie bekommen noch im Krankenhaus das Angebot, mit dem Mitarbeiter einer Beratungsstelle ein Gespräch zu führen. Binnet: "Die meisten Jugendlichen sagen zwei Worte: 'Nie wieder'." Die Experten bieten zudem einen Risiko-Check an. Dabei werden den Jugendlichen Alternativen zum Trinken aufgezeigt.

JiMs Bar: Gleichaltrige wecken Interesse an alkoholfreien Getränken

JiM steht für Jugendschutz im Mittelpunkt. Zum Projekt gehört JiMs Bar, an der junge Barkeeper an andere Jugendliche alkoholfreie Cocktails ausschenken. Sie werden dafür speziell geschult. "Wir wollen den Jugendlichen zeigen, dass Genuss auch ohne Alkohol geht", sagt Sauerwein-Weber. "Und dafür sind andere Jugendliche besonders gut geeignet. Sie können das Thema besser verkaufen als Erwachsene."

Dennoch spielen nach Ansicht der vier Experten die Eltern bei der Alkoholprävention eine wichtige Rolle. "All die Angebote funktionieren nur, wenn die Eltern mit im Boot sind", sagt Petra Linzbach, und Hinnerk Frahm ergänzt: "Sie haben einen großen Einfluss auf das Trinkverhalten ihrer Kinder. Es lohnt sich, dieses geltend zu machen."