“Wir können uns nicht raushalten.“ Geistliche aus Stormarn widmen sich dem Thema auch in den Gottesdiensten. Und schon gibt es Beschimpfungen.

Ahrensburg/Reinbek. Die Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche haben nun auch Auswirkungen für die Geistlichen in den drei Pfarreien des Kreises Stormarn. Die Pfarrer aus Ahrensburg, Reinbek und Bad Oldesloe berichten von einem großen Gesprächsbedarf bei Gemeindemitgliedern. Und von Beschimpfungen.

"Die Menschen wollen, dass ich Stellung beziehe", sagt Pfarrer Michael Grodecki aus Ahrensburg. "Wir können uns nicht raushalten." Dass Grodecki zu Recht davor warnt, die katholische Kirche pauschal zu verurteilen, belegt die Erfahrung von Grodeckis Kollegen Gerhard Gerding aus Reinbek. Er sagt: "Anonym raunte jemand auf meinem Anrufbeantworter: Ihr Kinderschänderverein." Michael Grodecki fürchtet, dass der Vertrauensverlust in die katholische Kirche Folgen haben wird. "Ich rechne mit Austritten", sagt der Geistliche, der das Thema Missbrauchskandal in seinen Predigten ebenso erwähnt wie Hubert Fischer, Pfarrer der St.Vicelin Gemeinde in Bad Oldesloe. Zwar habe Grodecki das Gefühl, dass seine Gemeinde hinter ihm stehe. Dennoch werden seiner Ansicht nach manche Katholiken, auch einige der rund 26 000 Mitglieder in Stormarn/Lauenburg, Konsequenzen aus dem Skandal ziehen.

Hamburgs Erzbistums-Sprecher Manfred Nielen sagt: "Bisher sind uns keine Austritte wegen des Missbrauchsskandals bekannt." Aber natürlich könne es Auswirkungen geben. "Es ist eine Frage des Vertrauens in die Kirche. Und das Vertrauen ist beschädigt", sagt Nielen. Damit die katholische Kirche dieses wieder zurück gewinnt, sei Aufklärung, Offenheit und Transparenz die erste Vorraussetzung.

"Wir müssen mit unserer Arbeit so gut wir können fortfahren", sagt Michael Grodecki. Wir dürfen uns nicht lähmen lassen." Der 59 Jahre alte Pfarrer, der seit fast zehn Jahren in der katholischen "Pfarrei Maria Hilfe der Christen" mit den Kirchenstandorten Ahrensburg, Bargteheide und Großhansdorf tätig ist, spricht offen über den Missbrauchsskandal. Über die Vorfälle, durch die das gesamte Priestertum ins Gerede geraten ist. "Die Menschen wollen wissen, wie ich als Pfarrer damit umgehe." Seine Stimme ist fest. Aber was er sagt, klingt tief erschüttert. Die Fälle, in denen sich Kleriker an Minderjährigen vergangen haben, müssten ausnahmslos offengelegt und juristisch verfolgt werden. Michael Grodecki sagt: "Es darf nichts vertuscht werden."

Dieser Forderung schließt sich Pfarrer Gerhard Gerding an, der seit 15 Jahren in der "Pfarrei Seliger Niels Stensen" mit den Kirchenstandorten Reinbek, Glinde und Trittau arbeitet. "Ich bin dankbar, wie eindeutig die Bischöfe Stellung zum Missbrauchsskandal bezogen haben", sagt der 66-Jahre alte Kirchenmann. So wie der Hamburger Erzbischof Werner Thissen, der in der Sonntagsmesse im Mariendom sagte: "Was unter den Teppich gekehrt wird, fault und stinkt und schadet." Das habe es viel zu lange gegeben. Thissen weiter: "Wir müssen bekennen: Das war falsch, was wir getan haben, sündig, egoistisch und verbrecherisch. Es tut mir leid." Für Pfarrer Gerding sind die Taten "nicht zu entschuldigen". Und sie belasteten die katholische Kirche gewaltig. "Aber wir dürfen nicht vergessen, dass sich die meisten nichts zu Schulden haben kommen lassen", betont Gerding. "Ich meine damit: Verurteilt diese schrecklichen Taten, aber seht auch das Gute."

Für die Sonntags-Gottesdienste registriert Gerhard Gerding keine Veränderungen. Nach wie vor kämen viele Menschen in die Herz-Jesu-Kirche in Reinbek. "Auch mehr Austritte als sonst hat es bisher nicht geben." Noch nicht. Doch der Missbrauchsskandal sei ein Gesprächsthema. "In erster Linie sind es Worte des Mitgefühls, die die Menschen an mich richten", sagt Pfarrer Gerding.

Wie kommt die Kirche wieder aus der Vertrauenskrise heraus? "Wir müssen die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen: offen und transparent sein", sagt Gerhard Gerding.

Damit Missbrauchsskandale in katholischen Einrichtungen künftig verhindert werden, plädiert Michael Grodecki dafür, besser hinzugucken. "Trotz Priestermangels müssen die Verantwortlichen eine sorgfältige Auswahl treffen", sagt der Pfarrer. Zudem fordere er auch die Missbrauchs-Opfer zu Offenheit auf. "Betroffene sollten sich jemanden anvertrauen und Vorfälle zur Sprache bringen." Bislang hätten sich in Stormarn seines Wissens nach noch keine Betroffenen gemeldet.

Michael Grodecki sagt: "Die schrecklichen Fälle, die jetzt ans Tageslicht gekommen sind, stellen nicht die ganze Kirche dar. Gottlob war es ein sehr geringer Teil der Priester, der sich fehl verhalten hat." Es sei falsch, alle Priester unter Generalverdacht zu stellen. Viele übten ihren Beruf schließlich mit Hingabe aus.

So wie Michael Grodecki selbst. "Ich bin nach wie vor gern Priester - auch wenn wir gerade stürmische Zeiten durchmachen." Der Wert der Botschaft Gottes, die die Kirche verbreitet, werde durch den Skandal nicht geschmälert. "Ich habe nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben", sagt der Pfarrer.

Gibt es Vergebung für die Täter? Michael Grodecki: "Für die Tat gibt es keine Entschuldigung. Aber die Täter müssen, wie jeder Mensch, weiterleben und sie behalten ihre Würde. Wie jeder andere Straftäter auch." Dann macht Pfarrer Grodecki eine kurze Pause und sagt: "Gott verabscheut die Sünde, nicht den Sünder."