Retter halten den Vorschlag aus Kiel für kaum umsetzbar. Jetzt soll eine Expertenrunde nach Lösungen suchen.

Bad Oldesloe. Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU) hat mit seinem Vorschlag, Gaffern als Schocktherapie Fotos von Unfällen und Opfern zu zeigen, eine breite Diskussion ausgelöst. Schlie möchte erreichen, dass die Schaulustigen ihr Verhalten ändern. Das Innenministerium will jetzt ein Gespräch mit Fachleuten organisieren, die sich mit der Frage beschäftigen, wie den Gaffern bei Unfällen Einhalt geboten werden kann. Eingeladen werden Vertreter der Polizei, der Feuerwehr, der Rettungsorganisationen, des Fahrschullehrerverbands, des ADAC und Wissenschaftler. Ein Termin steht noch nicht fest.

Der Deutsche Berufsverband Rettungsdienst (DBRD) gibt Schlies Vorschlag allerdings keine Chancen. Eher sollten bestehende Gesetze genutzt werden und Gaffer wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt werden. Gemäß Strafgesetzbuch (§ 323 c) kann dies mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden.

"Dies ist jedoch schwierig umzusetzen", sagt der für Stormarn zuständige Polizeidirektor Jürgen Anhalt, "die Polizisten müssen sich um die Opfer kümmern, die Unfallstelle absichern und denVerkehr regeln." Um die Personalien von anderen Autofahrern festzustellen, bleibe keine Zeit. "Da wo es möglich ist, Menschen zu ermitteln, die hätten helfen können, wird dies natürlich auch gemacht", sagt Anhalt, der den Vorstoß des Ministeriums begrüßt. Er sagt allerdings: "Sensationshungrige, die gaffen und nicht helfen, sind im Kreis Stormarn zum Glück die Ausnahme."

Auslöser für die Diskussion war ein tödlicher Unfall auf der A 1 bei Reinfeld (wir berichteten). Ersthelfer Marco Lihring hatte vor dem Eintreffen der Rettungskräfte versucht, die Frau aus dem brennenden Auto zu ziehen. Er schrie Lastwagenfahrer an, die in erster Reihe im Stau standen, dass jemand mit einem Feuerlöscher die Flammen bekämpfen müsse. "Jeder Lastwagenfahrer muss einen Feuerlöscher an Bord haben", sagt Lihring, der auch den Rettungsdienst der Berufsfeuerwehr Lübeck leitet. Zur Hilfe kam ihm jedoch niemand. Gemeinsam mit einem Bekannten gelang es ihm, die Frau aus dem Auto zu ziehen. Im Krankenhaus erlag die 22-Jährige jedoch ihren schweren Verletzungen.

Der Stormarner Kreiswehrführer Gerd Riemann sieht ein größeres Problem als die Gaffer: "Wenn sich Feuerwehr und Rettungsdienst auf der Autobahn durch den Stau kämpfen müssen, wissen viele Autofahrer nicht, wie sie sich zu verhalten haben. Wenn die Rettungsgasse gebildet wird, nutzen sogar einige Autofahrer diese aus. So etwas erleben wir beinahe täglich."

Minister Schlie bezeichnet die Kritik des DBRD als voreilig, da der Verband die Erfolglosigkeit eines Versuchs voraussage, der noch nicht begonnen habe.