Altentreff, Kinderschutzbund, Naturschutzverein: Für die Organisationen macht es wenig Sinn, Stellen für eine so kurze Zeit zu besetzen.

Ahrensburg. Die von der neuen Bundesregierung geplante Verkürzung des Zivildienstes von neun auf sechs Monate stößt bei Stormarner Sozial- und Wohlfahrtsverbänden auf Unverständnis. Sie befürchten, dass der Zivildienst zum Auslaufmodell wird. Momentan werden kreisweit 311 Zivildienstplätze angeboten. Vor nicht einmal zwei Jahrzehnten dauerte der Dienst 20 Monate.

"Schon bei der Reduzierung von zehn auf neun Monate war die Grenze erreicht", sagt Ingo Loeding, Geschäftsführer des Kinderschutzbunds Stormarn und Kreisvertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Die Dachorganisation hat bereits angekündigt, gar keine Zivis mehr einzustellen. Und auch Uwe Schneider, Vorsitzender des Ahrensburger Naturschutzvereins Jordsand, kommt in Rage. "Das ist doch alles total unüberlegt", sagt er. Ähnlich beurteilt Jutta Kraft, die die Zivis im Ahrensburger Peter-Rantzau-Haus einsetzt, die Pläne: "Viele Besucher unseres Altentreffs sind auf die Zivis angewiesen. Je länger die jungen Männer da sind, desto größer ist auch das Vertrauen." Gerade für die bedürftigen Menschen sei es wichtig, dass sie sich nicht alle paar Monate auf neue Gesichter in ihrer engsten Umgebung einstellen müssten.

Zu den Stammgästen im Rantzau-Haus zählt auch Barbara Sasse (60). "Nur noch sechs Monate Zivildienst? Das wäre ja schlimm", sagt die Ahrensburgerin, während der Zivildienstleistende Jannik Himmer ihr beim Einsteigen in den weißen VW-Bus hilft. Der 20-Jährige gehört zum MSD - dem Mobilen Sozialen Dienst. Er hilft den Menschen dort, wo sie es allein im Alltag nicht mehr schaffen. Er fährt für sie zum Einkaufen, geht mit ihnen spazieren, hilft im Haushalt. "Einem Mann, den ich betreue, lese ich zum Beispiel auch die Zeitung vor", sagt Jannik Himmer.

Er ist einer von etwa 76 000 Zivis in Deutschland. An diesem Morgen holt er drei Frauen von zu Hause ab, um sie zum Gymnastikkursus im Peter-Rantzau-Haus zu bringen. Herta Petry (84) nutzt den Fahrdienst etwa dreimal in der Woche. "Früher bin ich zu Fuß gegangen", sagt sie, "jetzt geht das nicht mehr. Ohne den Fahrdienst würde ich gar nicht mehr rauskommen." Jannik Himmer rechnet vor: "Eigentlich würden bei sechs Monaten Dienstzeit auch nur vier übrig bleiben: Urlaub, Fortbildungen, Lehrgänge, und dann ist man ja auch mal krank." Er hat mit den anderen Zivis den Fahrdienst an einem Steckplan organisiert. Allein die Suche nach den idealen Touren habe einige Wochen gedauert.

Für die jungen Männer selbst könnte der kürzere Dienst noch ein anderes Problem mit sich bringen. Die meisten fangen nach dem Schulabschluss an, im August oder September. Jannik Himmer: "Zum Februar/März wäre dann Schluss. Und was dann? Die meisten Studiengänge beginnen doch erst im Herbst." Im schlimmsten Fall drohe die Arbeitslosigkeit.

Die sozialen Einrichtungen hätten wiederum das Problem, dass sie ihre Stellen im Frühjahr neu besetzen müssten. Da dürften sich kaum neue Leute finden lassen. Etwa 600 Euro bekommt ein in Vollzeit arbeitender Zivi im Monat inklusive Essensgeld. Das Peter-Rantzau-Haus übernimmt davon etwa 420 Euro. Für das Geld jemanden einzustellen, sei illusorisch.

"Die neue Koalition in Berlin hat sich offenbar nicht richtig Gedanken gemacht. Das ist sinnlos", sagt auch der Stormarner Kinderschutzbund-Geschäftsführer Ingo Loeding. Sein Verband setzt kreisweit noch acht Zivis ein, in erster Linie im Fahrdienst. Die jungen Männer werden zunächst eingearbeitet und auch zum Sicherheitstraining geschickt. "Außerdem ist es gerade für die von uns betreuten Kinder wichtig, dass sie feste Bezugspersonen haben, die nicht ständig wechseln", sagt Loeding. Bei einer Verkürzung müsse man sich Gedanken machen, wie die Lücken zu schließen seien: "Mit 400-Euro-Jobs ist das nicht zu machen."

Loeding hält den Zivildienst aber auch aus einem ganz anderen Grund für wichtig: "Das ist auch eine Art Bildungseinrichtung: Die jungen Leute lernen bei der Kinder-, Alten- oder Behindertenbetreuung etwas kennen, was sie auf ihrem persönlichen Weg weiterbringt und somit auch für die Gesellschaft ein großer Gewinn ist."

Der Naturschutzverein Jordsand bietet rund 20 Dienstellen auf Inseln, Halligen und im Haus der Natur in Ahrensburg an. Die jungen Männer organisieren Führungen durch Naturschutzgebiete, zählen Vögel, beaufsichtigen Schutzgebiete. Der Vorsitzende Uwe Schneider sagt: "Wir stehen zum Zivildienst, aber schon neun Monate sind problematisch. Sechs Monate bringen es gar nicht." Wenn im Winter neue Zivis anfangen würden, kämen diese zum Beispiel nicht mehr auf die Halligen. Wenn man den Zivildienst nicht mehr wolle, müsse man das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) mehr fördern.

Für das Peter-Rantzau-Haus ist das allerdings keine Alternative. "FSJler sind teurer", sagt Jutta Kraft, "für uns wäre das nicht machbar." Und auch die Besucherinnen des Altentreffs sind skeptisch. "Wir haben gern lange Zeit die gleichen Fahrer", sagt Herta Petry, "ich müsste mir dann wohl noch häufiger neue Namen merken."