Nach Auslandsaufenthalten in Wien, Oxford, Madrid und Paris übernahm der heute 32-Jährige die denkmalgeschützte Anlage nahe Bargteheide.

Jersbek. Mittagssonne fällt auf den Jersbeker Barockgarten. Es ist still. Der knirschende Sand unter den Schuhen ist zu hören. Der Blick reicht weit in die Landschaft. "Privatweg", steht auf einem Schild, "Durchgang verboten." Wir nähern uns dem Herrenhaus aus dem Jahre 1620. Bethmann Hollweg steht auf dem Schild neben dem Portal. Wie der Gutsherr wohl aussieht?

Mit einem Schwung geht die Tür auf. Ein junger Mann in Poloshirt und Jeans erscheint. Auf dem Kopf ein Arbeitskäppi, in der Hand einen Schraubendreher. Es sieht so aus, als habe er gerade einen Kronleuchter repariert. "Guten Tag. Ist Herr von Bethmann Hollweg da?" "Das bin ich. Ich hab' sie schon erwartet." Ein Gutsherr alten Schlages sieht anders aus. Fünf Jahre war Julius Bethmann Hollweg im Ausland: Wien, Oxford, Madrid, Paris. Vor gut vier Jahren kehrte er als Betriebswirt zurück, hat das Gut von seinem Vater Christoph übernommen. "Es ist schön ruhig hier", sagt der 32-jährige Hausherr, der am Vormittag bei einer Tagung war. In einer Stunde hat er eine Besprechung. Das Handy klingelt ohne Unterlass. Schön ruhig? Wohl nur für Besucher, die im Barockgarten lustwandeln.

"Wenn die Schlüsselblumen blühen, reisen die Leute von überall an. Im Sommer bringen sie Picknick mit. Die Banketten müssen gemäht, die Wege ausgebessert werden. Das Dach vom Kutscherhaus ist undicht. Vor zwei Jahren habe ich es reparieren lassen. 120 000 Euro hat das gekostet. Aber ich möchte eben alles optimal erhalten."

Seit 1986 steht die historische Anlage unter Denkmalschutz. Kein Baum im Park darf ohne Genehmigung gestutzt oder gefällt werden. Die Fassade musste mit einem speziellen Kalksandmörtel verfugt werden, Thermopenglas für die Originalfenster ist nicht erlaubt. Dass der Gutsherr die am Kutschperdestall stehenden Linden im Sommer gekappt hatte, hat ihm eine Rüge der Denkmalpflegebehörde beschert. "Mir war nicht bewusst, dass die Bäume auch unter Denkmalschutz standen. Aber wäre ein Ast auf einen Menschen gefallen, hätte ich fahrlässig gehandelt, mich strafbar gemacht", sagt Bethmann-Hollweg. So nahm er einen gründlichen Schnitt vor. "Ich kann nicht jedes Jahr einen Hubsteiger mieten, um die Kronen beschneiden zu lassen. Der Tagessatz für zwei Mann plus Hubsteigermiete beträgt 1000 Euro. Das Geld habe ich einfach nicht", sagt der 32-Jährige, der keineswegs hochherrschaftlich residiert. 30 Zimmer hat das Herrenhaus. Der Hausherr hat zwei davon, in der Wohnung seiner Tante: ein Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer. Der Rest ist vermietet oder als Erbpacht vergeben. Auch im Kutschperdestall und im Torhaus wohnen andere. "Ohne die Mieteinnahmen ginge es nicht." 140 Hektar Acker- und Grünland sind ebenfalls verpachtet. Bethmann Hollweg hat zwei Mitarbeiter. Die Verwaltung erledigt er selbst. Er kümmert sich auch um den 325 Hektar großen Forst. Eine Einnahme, die alles tragen würde, wirft der Wald nicht ab. So führt der Gutsherr zusätzlich einen Forstbetrieb in der Nähe des Schweriner Sees als selbstständiger Unternehmensberater und verdient sein Geld auch als Verwalter von Gut Altenhof. Dieses Familienerbe ist an seinen Bruder Felix gegangen. Auch diese Hofanlage nahe der Eckernförder Bucht, deren Ursprünge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, steht unter Schutz.

Über das Wort Adel kann Bethmann von Hollweg nur müde lächeln. "Die Leute denken, in Jersbek wohnt ein reicher Graf Sowieso. Schön wär's. Das ist alles harte Arbeit." Seine Tante kennt diese märchenhaften Vorstellungen. "Die Leute denken, ich würde den ganzen Tag auf dem Sofa sitzen und Pralinen futtern", sagt Verena Janssen und schmunzelt. Sie wohnt seit 1982 im Herrenhaus und residiert keineswegs auf einem Plüschsofa. Sie hat Freude daran, im Gemüsebeet herumzuwühlen, ihren Neffen zu bekochen und mit dem Fahrrad Einkaufen zu fahren. "Eine ganz normale Nachbarschaft. Man gießt gegenseitig Blumen, leiht sich mal ein Brot oder ein Ei aus", sagt die 69-Jährige. Und wenn sie gewaschen hat, schnappt sie sich den Korb und hängt die Wäsche auf. Im Krieg musste ihre Familie raus aus dem Herrenhaus. Flüchtlinge wurden hier untergebracht. "Vieles ist damals kaputt gegangen", sagt Verena Janssen mit Wehmut. Aber Jersbek steht noch. "Das Gut ist seit 160 Jahren in Familienbesitz. Ich weiß, was das bedeutet", sagt Bethmann Hollweg. Und irgendwie schimmert da doch der Satz durch: Adel verpflichtet.

Das Land Schleswig-Holstein sei allerdings auch in der Pflicht. "Wenn das Land für den Denkmalschutz wirbt, muss es sich auch engagieren", mahnt der Gutsherr an, der daher dankbar ist, dass Kreis und Gemeinde seit jeher mitziehen und nun auch eine Lösung gefunden wurde, den Barockgarten zu erhalten. Aus Kiel kam außerdem der Bescheid, dass die 100 000 Euro für den Pflegeschnitt der Linden gesichert seien (wir berichteten). Bethmann-Hollweg: "Sonst hätte ich den Park für die Besucher sperren müssen."

Jammern liegt dem jungen Gutsherrn nicht. Von seinem Vater weiß er, Erfindungsgeist ist gefragt, will man ein solches Zuhause sichern. "Als mein Vater 1972 die Idee für den Golfplatz Altenhof hatte, haben ihn alle für verrückt erklärt. Die Kuhherde war krank geworden. Er musste sie abschaffen. Da kam die Frage, was mit dem Land geschehen sollte." Jetzt gibt es hier eine begehrte 18-Loch-Anlage. Der Kuhstall dient als Konzertsaal für das Schleswig-Holstein Musik Festival. Außerdem gibt es ein Zwölf-Betten-Hotel und jede Menge Hochzeiten. "Da wird es schon mal laut bis tief in die Nacht. So lustig ist das für meine Mutter auch nicht. Aber das Ziel ist eben, die Güter zu erhalten, und zwar für alle", sagt der 32-Jährige. "Es ist schön in Jersbek. Ich genieße das alles. Es ist ein aufregendes Leben."

Seine Tante ist geschieden und zog vor 27 Jahren zu ihrem damals noch lebenden Bruder Cay-Friedrich von Bethmann Hollweg, der das Gut 1960 gekauft hatte. Seitdem hat sie im Jersbeker Herrenhaus ihr kleines Reich - mit einem Garten direkt am Gutsteich. Vor ihrer Haustür blüht einmal im Jahr "Die Königin der Nacht". Verena Janssen pflegt den Kaktus und alle anderen Blumen mit Hingabe. "Ich lebe im Paradies. Und empfinde das auch jeden Tag aufs Neue."