Klinikchef und Krankenkasse sprechen von “besorgniserregender Entwicklung“. Zunahme um 25 Prozent seit 2006. “Bestürzend ist die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Alkoholeinfluss.“

Ahrensburg. Jugendliche werden auch in Stormarn immer öfter mit teilweise lebensgefährlichen Alkoholvergiftungen in Krankenhäuser eingeliefert. Dies sagt der Sprecher der AOK, Jens Kuschel, gegenüber der Stormarn-Ausgabe des Hamburger Abendblattes. Laut einer Studie der Krankenkasse stieg die Zahl der behandelten Jugendlichen in den vergangenen drei Jahren landesweit um fast 25 Prozent. "Häufig haben sie über zwei Promille Alkohol im Blut", sagt der AOK-Sprecher. Besorgniserregend sei, dass die Betroffenen immer jünger würden. Zehn Prozent seien erst 14 Jahre alt oder jünger. 62 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen in Schleswig-Holstein hätten "eindeutige Alkohol-Erfahrungen".

Auch in die Ahrensburger Klinik werden vermehrt alkoholisierte Jugendliche eingeliefert. "Bestürzend ist vor allem die zunehmende Gewaltbereitschaft von Jugendlichen unter Alkoholeinfluss", sagt Dr. Martin Zellner, ärztlicher Direktor der Klinik. "Das hat massiv zugenommen." Früher habe es nur ab und zu solche Fälle gegeben. "Heute haben wir wöchentlich mehrere Fälle dieser Art", sagt Zellner. Immer öfter würden auch Mädchen andere Mädchen verprügeln. Das Ergebnis der Schlägereien unter alkoholisierten Jugendlichen: Platzwunden und Rippenbrüche, die im Krankenhaus behandelt werden müssten.

"Durch die Behandlung alkoholisierter Jugendlicher nehmen auch die Kosten zu", sagt Klinikchef Zellner. Laut der AOK-Studie kostet eine Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit Koma-Trinken bis zu 1335 Euro. Sollten die Eltern der Jugendlichen - wie kürzlich von einem Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gefordert - für diese Kosten aufkommen? "Es wäre ein Versuch, den zunehmenden Alkoholkonsum einzudämmen", sagt Manfred Börner, stellvertretender Vorsitzender der GdP Schleswig-Holstein. Vor allem sei die Forderung jedoch als Impuls zu verstehen, auf die Verantwortung der Eltern aufmerksam zu machen. "Denn die Ursache liegt meist in den Elternhäusern", sagt Börner.

Dr. Günter-Willi Fröschle, ärztlicher Direktor der Oldesloer Asklepios-Klinik, hält die Forderung für realitätsfern. "Dann müssten ja auch Fallschirmspringer, Surfer oder Raucher selbst für ihre Behandlung zahlen." Das sei jedoch in unserem Sozialstaat nicht durchsetzbar. Das Signal gehe in die richtige Richtung, sagt dagegen der Ahrensburger Klinikchef Zellner. Die Gesellschaft könne nicht für alles einstehen. "Die Eltern müssen wieder stärker in die Verantwortung gebracht werden." Ob die Forderung sich durchsetze, sei jedoch abzuwarten.

Im Gesundheitsministerium gibt es keine Pläne, Eltern die Behandlung ihrer Kinder bezahlen zu lassen. "Eine Kostenübernahme von notwendiger medizinischer Versorgung durch Eltern ist derzeit in unserem Gesundheitssystem nicht vorgesehen", sagte Sprecher Christian Kohl auf Anfrage. Patienten solle nicht aus Geldmangel eine Behandlung verwehrt werden. "Das könnte gerade bei Alkoholvergiftungen lebensbedrohliche Folgen haben." Eltern seien jedoch gefordert, ihre Kinder im richtigen Umgang mit Alkohol zu schulen. Das Land habe bereits ein Bündnis gegen Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen gegründet.

Der Bargteheider Dieter Hopfe, selbst seit 17 Jahren trocken, warnt Jugendliche in Schulen vor den Folgen übermäßigen Alkoholkonsums. "Da muss ich schon mal deutlicher werden", sagt er. Von 20 Schülern einer Klasse hätten meist nur zwei bis vier noch keinen Alkoholrausch gehabt. Die trinkenden Jungen und Mädchen würden immer jünger. Sogar im Unterricht tränken die Schüler Alkohol - um zu provozieren, so Hopfe. "Sie wollen zeigen: Wir sind die Größten." Er ist der Meinung, dass man Eltern nicht für eine einmalige, aber für wiederholte Krankenhausbehandlungen zahlen lassen könnte. "Beim Geld kriegt man sie am besten zu packen."