Landwirte protestieren gegen das Zubetonieren von Ackerflächen. Dennoch rollt der Verkehr auf dem durch Asphalt-Blasen berüchtigten Teilstück.

Hamberge. Der Verkehr rollt, wenn auch mit rund dreiwöchiger Verspätung. Doch das ist auch schon die einzige positive Nachricht zur Eröffnung des neuesten Abschnitts der Autobahn 20, die seit gestern Vormittag über das Kreuz Lübeck hinaus bis ins 16 Kilometer weiter westlich gelegene Geschendorf im Kreis Segeberg reicht. Schwere Baumängel noch unabsehbaren Ausmaßes und ein vermutlich daraus resultierender Rechtsstreit über Verantwortlichkeiten und Schadenersatzansprüche überschatten die Freigabe. Der ursprünglich geplante Festakt, zu dem auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erwartet wurde, ist ausgefallen.

Es wäre eine gänzlich farblose Eröffnung geworden, hätten Landwirte aus Stormarn und dem Nachbarkreis Segeberg die Freigabe nicht genutzt, um auf etwas aufmerksam zu machen, das ihnen sehr am Herzen liegt: auf den ihrer Ansicht nach zu hohen Flächenverbrauch in Deutschland nämlich.

Es ist neun Uhr, genau eine Stunde vor der geplanten Freigabe, als Beamte der Autobahnpolizei Bad Oldesloe bei Geschendorf einen Traktor mit Anhänger bemerken. Das Gespann steht quer auf der Trasse, ein Spruchband an der Flanke. "Wertvolles Land" ist darauf unter Hinweis auf eine Internetseite zu lesen. Der Bauernverband hat die Aktion spontan geplant und umgesetzt. Jeden Tag gingen der deutschen Landwirtschaft rund 100 Hektar Fläche unwiederbringlich verloren, auch durch Straßenbau, sagt Hans-Joachim Wendt aus Grabau, Kreisvorsitzender des Bauernverbands in Stormarn. Und er ergänzt: "Wir müssen die Endlichkeit und Verknappung der landwirtschaftlichen Fläche in das allgemeine Bewusstsein bringen. Und zwar sofort!"

Das klappt an diesem Morgen. Die Spontan-Demo der Bauern wird augenblicklich zum Anziehungspunkt für viele Schaulustige aus den umliegenden Dörfern. Es ist mittlerweile 9.45 Uhr. Die Beamten der Autobahnpolizei sehen sorgenvoll auf ihre Armbanduhren. Wie lange wollen die Landwirte wohl durchhalten? "Och, nicht mehr so lange", sagt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Stormarn, "gleich wird der Trecker weggefahren."

Im Endeffekt werden die Bauern nur zu einer Verzögerung der Eröffnung beitragen, die kaum ins Gewicht fällt.

Es ist 10.15 Uhr, eine Viertelstunde später als geplant, als sich in Geschendorf - die Warnbaken sind längst abgebaut - ein Polizeiauto in Richtung Osten in Bewegung setzt. Am Steuer sitzt Georg Ruge, Chef der Autobahnpolizei, im Gefolge einige Dutzend Autos. Die offizielle Freigabe in Richtung Lübeck.

Zur selben Zeit bereiten sich Ruges Stellvertreter Jörg Gronau und Jörg Becker, Chef der Autobahnmeisterei Bad Oldesloe, im Kreuz Lübeck auf die Freigabe in Richtung Westen vor.

Um 10.38 Uhr starten sie. Auf den Brücken stehen Menschen und winken dem Konvoi zu, der über Deutschlands wohl bunteste Autobahn rollt. Tausende verschiedenfarbiger Kreise zieren den frischen Asphalt. Jeder markiert eine Stelle, an der sich eine Asphaltblase gebildet hatte, etwa 30 Zentimeter im Durchmesser und vier Zentimeter hoch. Jede einzelne wurde in den vergangene Wochen angebohrt, sodass ein Gemisch aus Gas und Wasser entweichen konnte, und in ein Kataster aufgenommen.

Jens Sommerburg, Leiter des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr in Lübeck, sagt: "Es wird mit Sicherheit noch weitere Blasen geben. Ob nur diesen Sommer oder auch in den kommenden Jahren, muss sich zeigen." Der finanzielle Schaden und die Folgen seien noch nicht absehbar. Straßenwärter patrouillieren an heißen Tagen rund um die Uhr auf der Strecke. Für Motorradfahrer gilt zunächst Tempo 120.