Offener Brief zeigt auf, dass sich die Gemeinde zu einer Aufklärung des Geschehenen verpflichte. Opfer werden zur Mithilfe gebeten.

Ahrensburg. Der Sterngottesdienst am Pfingstsonntag auf dem Rondeel - er stand dieses Jahr ganz im Zeichen der Missbrauchsfälle in der Evangelisch-Lutherischen und der Katholischen Kirchengemeinde Ahrensburg. Etwa 150 Besucher verfolgten, wie Pastor Holger Weißmann gleich zu Beginn der Veranstaltung im Namen der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde eine Stellungnahme verlas. "Wir sind als Kirche schuldig geworden", sagte er. In dieser Situation gehe es ihnen zu allererst darum, diejenigen, die Opfer geworden seien, um Verzeihung zu bitten.

Die Pastoren seien sich bewusst, dass eine rückhaltslose Aufklärung des Geschehenen die mindeste Voraussetzung dafür sei. Er bat die Opfer um Mitwirkung. "Wir werden unseren Teil dazu konsequent beitragen", so der Pastor. "Als Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde danken wir den Opfern für ihre Beharrlichkeit."

Nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden war, dass ein Pastor von Ende der 70er-Jahre bis in die erste Hälfte der 80er-Jahre in einer Ahrensburger Kirchengemeinde mehrere Jugendliche sexuell missbraucht haben soll, müssten viele Fragen beantwortet werden: Wie konnte es geschehen, dass innerhalb der Kirche so lange verharmlost, verschwiegen und nicht gehandelt wurde? Wie müssen die Strukturen der Kirche verändert werden, damit Gleiches in Zukunft nicht wieder geschehen kann?

Auch Pröpstin Margit Baumgarten setzte sich in ihrer Ansprache mit dem Missbrauch auseinander. Sie betonte, wie wichtig es sei, aufmerksam zu sein. Aufmerksamkeit heiße, nicht wegzusehen, wenn es schwierig werde, sondern noch genauer hinzusehen. "Diese Aufmerksamkeit hat uns gefehlt, als junge Menschen in unserer Mitte von einem, dem sie vertrauten, missbraucht worden sind", sagte die Pröpstin. Sie habe ihnen gefehlt, um Menschen zur Verantwortung zu ziehen. Und sie habe ihnen gefehlt, als Jahre später die Betroffenen ihr Leid zur Sprache brachten.

Baumgarten: "Wir haben uns unseren Geschwistern nicht zugewandt, wie sie es gebraucht hätten. Wir haben sie alleingelassen. Das tut weh, dafür können wir sie nur um Vergebung bitten."

Auch Michael Grodecki, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Marien, nahm noch einmal zu dem Missbrauchsfall in seiner Gemeinde Stellung, der vor zwei Wochen bekannt geworden war. Ein Mann hatte beim Erzbistum schwere Vorwürfe gegen einen früheren Kaplan der St. Marienkirche erhoben. 1975 sei er von ihm missbraucht worden. Der Geistliche, der zuletzt an der Hamburger St. Joseph Kirche auf St. Pauli im Amt war, hat die Tat gestanden und wurde suspendiert.

"Wir stehen gemeinsam als Kirche mit dieser Schuld vor den Opfern und vor dem lebendigen Gott", sagte Grodecki. Schuld zuzugeben sei nicht leicht, aber notwendig. Nur so könne ein Neuanfang geschehen und das Vertrauen, das die Kirche bei den Menschen verloren hätte, wieder hergestellt werden. Zu lange sei weggeschaut, geschwiegen und nicht zugehört worden. Grodecki: "Alles, was vertuscht, vorschnell beschwichtigt und unter den Tisch gekehrt wird, verpestet die Atmosphäre." Die Kirche sei nun bei den Opfern - mit einem offenen Ohr, das zuhöre und ernst nehme, was ihnen angetan wurde, und mit einer ausgestreckten Hand, die Hilfe anbiete, wo sie notwendig sei.

Indem die Kirche mit ihrer Schuld ehrlich umgehe, tue sie auch einen Dienst für die Gesellschaft, in der das Thema immer noch tabuisiert werde. "Wenn auch jedes einzelne Vergehen in kirchlichen Einrichtungen und Pfarreien zu viel ist, so ereignen sich die allermeisten Fälle im familiären Umfeld und auch in anderen Einrichtungen", so der Geistliche. Auch dort gebe es Opfer, die keine Stimme hätten.

Nicht zur Sprache sei das Thema dagegen beim Pfingstgottesdienst in der Auferstehungskirche Schmalenbeck in Großhansdorf gekommen, berichtet Konrad Albers (Name geändert). Der heute 39-Jährige ist einer derjenigen, die in den 80er-Jahren im Haushalt des beschuldigten Pastors der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Ahrensburg lebten. "Der Pastor war mit seiner Ehefrau beim Pfingstgottesdienst anwesend", sagt Albers. Die Predigt wurde von der ehemaligen Pröpstin gehalten, die bereits 1999 von den Missbrauchsvorwürfen erfahren hatte. Der Seelsorger war versetzt worden, mehr nicht. Konrad Albers: "Ich bin erschüttert. Für die Opfer und ihre Angehörigen war dieser Gottesdienst eine schändliche Ohrfeige."