Im Wahlkreis Reinbek treten zwei erfahrene Kommunalpolitiker an, die erstmals in den Landtag wollen. Im Interview mit dem abendblatt erläuterten die beiden ihre Ziele - und bieten sich fast das Du an.

Hamburger Abendblatt:

Herr Habersaat, Sie sind Lehrer. Wäre Bildung für Sie das Themenfeld, das Sie im Landtag beackern würden?

Martin Habersaat:

Das liegt nahe. Da hätte ich schon Lust zu.

Abendblatt:

Herr Potzahr, was würden Sie machen wollen?

Mark-Oliver Potzahr:

Bildungspolitik ist auch eines meiner Themen, da könnten wir beide uns in einem Ausschuss wiederbegegnen. Das zweite Standbein hat mit dem zu tun, was ich in Stormarn auch mache. Ich bin Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses. In Kiel möchte ich mich um die unterschiedlichen Generationen kümmern.

Abendblatt:

Was kann man als Bildungspolitiker erreichen für die Region, wenn man in den Landtag einzieht? In Glinde gibt es ja zum Beispiel eine Diskussion um ein autonomes Jugendzentrum.

Habersaat:

Das wird man nicht von Kiel aus steuern können. In erster Linie müssen die Glinder selber mit ihren Jugendlichen eine Lösung finden. Ich würde anbieten, zu moderieren.

Potzahr:

Ich glaube, man sollte dort kein solches Jugendzentrum einrichten. Ich glaube, die Glinder wollen das nicht. Ich denke auch, dass die Jugendlichen, die dafür sind, größtenteils gar keine Glinder sind. Die, die das jetzt fordern, sind auf Krawall aus. Ich kann Glinde nicht dazu raten, sich die Probleme aus Hamburg zu importieren.

Habersaat:

Ich habe eine große Gruppe Glinder Jugendlicher kennengelernt, die das Gymnasium und die Gesamtschule besuchen, die gehören auch zu diesen Jugendlichen. Die sind mir durch ehrenamtliche Nachhilfe aufgefallen - und nicht durch Krawall. Ich glaube, da werden momentan zwei Gruppen Jugendlicher in einen Topf geworfen und gegeneinander ausgespielt.

Abendblatt:

Wie soll es in der Schulpolitik weitergehen - nach den einschneidenden Reformen der Vergangenheit?

Potzahr:

Die Schulformdebatte wird nicht aufgerollt. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, jetzt ein Zurück zum dreigliedrigen Schulsystem zu machen, das ich für das Bessere gehalten habe und immer noch halte. Die SPD hat allerdings langfristig die Aushöhlung des Gymnasien vor. Langfristig ist das Ziel die Einheitsschule für alle. Das steht auch im SPD-Wahlprogramm - nicht sehr prominent zwar, aber es steht drin.

Habersaat

(blättert im Programm): Jede Wette, dass nicht.

Potzahr:

Da steht: "Die Überwindung ..."

Habersaat:

Auch das steht da nicht.

Potzahr

(beugt sich zu Habersaats Programm): Dann lesen wir mal gemeinsam. Ich habe mir den Satz nicht auswendig gemerkt.

Habersaat

liest: "Wir gehen davon aus, dass sich unsere Vision von einer Schule für alle durchsetzen wird. Für die kommenden fünf Jahre gelten unsere Leitlinien: Für den Sekundarbereich gibt es zwei Schularten, Gemeinschaftsschulen und Gymnasien."

Potzahr:

Nichts anderes habe ich gesagt.

Habersaat:

Ich glaube, dass die Vision in der Tat ein sehr langfristiges Projekt ist. Auf Sicht haben wir zwei Schularten, damit ist Schleswig-Holstein gut aufgestellt. Jetzt geht's darum, dass wir mehr Ganztagsschulen bekommen, kleinere Klassen und bessere Ausstattungen.

Potzahr:

Darüber würden wir uns gar nicht streiten müssen. Ich finde es aber wichtig, dass das Gymnasium jetzt gestärkt wird. Da muss zum Beispiel dringend etwas getan werden, dass auch die nötigen Lehrer da sind. Nicht jede Planstelle kann derzeit besetzt werden.

Habersaat

(lacht): Ich verschärfe das Problem ja dadurch noch, dass ich meinen Beruf ruhen lassen will, wenn ich in den Landtag gewählt werde. Wir müssen ein System finden, wo die Bundesländer nicht mehr untereinander in Konkurrenz stehen, wenn es um die Lehrer geht. Wenn Baden-Württemberg den Physiklehrern ein 13. Monatsgehalt zahlt und Schleswig-Holstein nicht, dann löst das unsere Probleme nicht.

Abendblatt:

Mehr Lehrer kosten mehr Geld, mehr Monatsgehälter kosten noch mehr Geld. Schleswig-Holstein ist aber arm. Wo soll gespart werden?

Potzahr:

Bei den Personalkosten, aber nicht bei den Lehrern und den Polizisten auf der Straße. Ansonsten gehört alles auf den Prüfstand. Ich weiß nicht, was sich im Sozialetat versteckt. Das müsste ich mir erst mal angucken.

Habersaat:

Nicht kürzen kann man bei der Mitbestimmung. Sparen kann man wohl bei den einzelbetrieblichen Fördermaßnahmen, wo Schleswig-Holstein offenbar noch nach dem Gießkannenprinzip vorgeht. Auch mit einer Verwaltungsreform könnte man Geld sparen. Ich hänge nicht an den Kreisstrukturen. Ich glaube nicht, dass Kreise von der Größe Plöns oder Dithmarschens erforderlich sind, um die Identifikation der Menschen mit ihrer Heimat zu gewährleisten.

Abendblatt:

Der Landtagsabgeordnete Habersaat würde also den Kreistagsabgeordneten Habersaat einsparen?

Habersaat:

Möglicherweise. Ich glaube nicht, dass Stormarn einer der ersten Kreise wäre, die da betrachtet werden müssen. Aber der Kreistagsabgeordnete Habersaat hätte nichts dagegen, vom Landtagsabgeordneten Habersaat eingespart zu werden.

Abendblatt:

Wäre das bei Ihnen auch so, Herr Potzahr?

Potzahr:

Nein, ich sehe das ganz anders. Der Landtagsabgeordnete Potzahr würde weder einen Kreis noch eine Gemeinde dazu zwingen, mit jemandem zu fusionieren. Ich halte sehr viel von Kooperationen. Die Gemeinden und die Kreise werden alle in den nächsten Jahren Finanzprobleme haben, deshalb wird sich auch der Druck erhöhen, etwas gemeinsam zu machen.

Abendblatt:

Ist die Wirtschaftskrise im Wahlkreis Reinbek schon angekommen?

Potzahr:

Den Firmen geht es noch relativ gut. Sehr viel Besorgnis kriegt man von Arbeitnehmern. Sehr stark zu spüren ist auch die Besorgnis bei Kleinstgewerbetreibenden. Aber wir sollten nicht so laut lamentieren, uns geht es noch ganz gut.

Habersaat:

Der spektakulärste Fall von Insolvenz in unserem Bereich, die Firma Hamotec in Barsbüttel, ist ja offenbar nicht einmal der Wirtschaftskrise, sondern dem dubiosen Gebaren Einzelner geschuldet. Ansonsten habe ich auch den Eindruck, dass wir so viele verschiedenartige Firmen haben, dass wir nicht so wahnsinnig schwer betroffen sind.

Abendblatt:

Herr Potzahr, Sie sind seit vielen Jahren Reinbeker, Herr Habersaat, Sie sind seit vielen Jahren Barsbütteler. Beide Orte liegen nah beieinander, haben aber doch nicht viel miteinander zu tun.

Habersaat:

Wir haben uns in Barsbüttel gerade dafür eingesetzt, dass es einen Schulbus gibt, der nach Reinbek zur Sachsenwaldschule fährt. Aber von Barsbüttel aus guckt man in der Regel nach Hamburg, nicht nach Reinbek.

Abendblatt:

Und wie sieht man als Reinbeker aufs vergleichsweise kleine Barsbüttel? Ist es so, dass man den Ort eigentlich gar nicht wahrnimmt?

Potzahr:

Das könnte wirklich so sein. Aber ich bin ja Neuschönningstedter, und da guckt man schon nach Glinde und Barsbüttel. Es ist in der Tat schon so, dass es nicht sehr viele Verbindungen gibt. Allein eine Busfahrt von Neuschönningstedt zu Möbel Höffner ist eine logistische Meisterleistung.

Abendblatt:

Haben Sie im Wahlkampf etwas Neues über Ihren Wahlkreis gelernt?

Habersaat:

Reinbek kannte ich gut aus meiner Zeit als Lehrer an der Sachsenwaldschule. Aber ich nehme noch intensiver wahr, wie viele Veranstaltungen und Feste es hier gibt.

Potzahr:

Jedenfalls werde ich viel häufiger als sonst von Menschen angesprochen. In Glinde gehe ich mehrmals in der Wochen einkaufen, durch Oststeinbek fahre ich jeden Morgen durch - auf dem Weg zur Arbeit. Und in Barsbüttel habe ich als Kreisvorsitzender der Jungen Union schon mal gegen die Gesamtschule gekämpft.

Habersaat:

Zum Glück vergebens.

Abendblatt:

Wie nehmen Sie denn einander wahr? Sie kennen sich ja auch schon sehr lange. Sie haben dasselbe Hobby - Politik -, und Sie sind ungefähr gleich alt, ein paar Abzüge inbegriffen.

Habersaat:

Ich bin sechs Jahre jünger oder so.

Potzahr:

Wie alt sind Sie?

Habersaat:

32.

Abendblatt:

Uns fällt gerade auf, dass Sie sich siezen. Machen Sie das immer?

Habersaat:

Das machen wir immer.

Potzahr:

Ja.

Habersaat:

Wir könnten uns auch mal aufs Du einigen, aber bisher haben wir...

Potzahr:

Zum Du hat's noch nicht gereicht. Aber spätestens in Kiel würden wir das hinkriegen.

Abendblatt:

Wenn Sie am Wahltag vor 18 Uhr die Wahlprognose bekommen sollten, werden Sie die Zahlen dann twittern?

Habersaat:

Ich habe keinen Twitter-Account.

Potzahr

(lacht): Ich glaube, ich kriege die Prognose gar nicht.