Die Kommunen im Landkreis Stade klotzen beim Ausbau der Kinderbetreuung. Doch Fachkräfte sind schwer zu finden. Der Kampf um sie hat längst begonnen.

Horneburg/Jork/Buxtehude. In genau zwölf Monaten haben Eltern von Kleinkindern das Recht auf einen Kindergartenplatz. Wie fast überall in Niedersachsen, bauen auch die Kommunen im Landkreis Stade derzeit auf Hochtouren ihre Kindergärten und Krippen aus, um allen Eltern, die es wollen, ab August 2013 einen Betreuungsplatz für ihren ein- bis dreijährigen Nachwuchs anbieten zu können.

Doch selbst wenn das gelingt, könnte es passieren, dass all die schönen neuen Räume gar nicht voll genutzt werden können - weil das Betreuungspersonal fehlt. Rund 15 000 Erzieherinnen fehlen einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge bundesweit bis zum kommenden Sommer. Und auch in den Einrichtungen im Landkreis Stade hat der Kampf um pädagogische Fachkräfte längst begonnen.

Zum Beispiel in Horneburg. Wenn im Herbst die neue Krippe mit 30 Plätzen am Awo-Kindergarten Hoki öffnen soll, braucht Horneburgs Kindergartenleiterin Margit Riedel bis dahin sieben neue Mitarbeiter. Die seien bisher nicht in Sicht, "und ich weiß auch nicht, wo ich sie herholen soll", sagt die 55 Jahre alte Erzieherin. Bestehende Teilzeitstellen aufzustocken, wie es Experten als Weg aus der Krise empfehlen, sei keine Lösung, weil die meisten Mitarbeiterinnen selbst Kinder hätten und dann Betreuung für den eigenen Nachwuchs organisieren müssten. "Für uns wird es ganz schwierig werden. Alle Kommunen suchen im Moment gleichzeitig ausgebildete Erzieher, und die wenigen, die es gibt, können sich die Stellen aussuchen", sagt Riedel.

Ein großes Problem sei auch die Bezahlung. Die Kita-Träger zahlten unterschiedlich, und die Stadt Hamburg zahle besser als das Umland, sagt Riedel. Deshalb lohne es sich für die wenigen Fachkräfte aus der Region sogar, bis nach Hamburg zu pendeln. Hinzu komme, dass viele nach der Ausbildung gar nicht erst in den Job gingen sondern sich gleich weiterbildeten und Sozialpädagogik studierten. Von den 1270 Euro, die ein Vollzeit-Erzieher etwa bei der Awo bekommt, könnten viele nicht leben, weiß Riedel.

Ähnlich ist die Lage in Jork. Dort entstehen mit dem Neubau des evangelischen Kindergartens am Osterminnerweg 30 neue Krippenplätze, mit dem Ausbau des DRK-Kindergartens in Estebrügge kommen 15 weitere Krippenplätze hinzu. Wenn der Rechtsanspruch in Kraft tritt, will die Gemeinde für 60 Prozent ihrer ein- bis dreijährigen Bewohner Betreuungsplätze anbieten können. Ob sie dafür auch das Personal bekommt, ist längst nicht klar.

"Bis jetzt haben wir unsere Stellen noch besetzen können, aber es wird zunehmend schwieriger", sagt Inge Kratzenberg, Fachberaterin der Kindertageseinrichtungen im DRK-Kreisverband Stade, der 14 Kindergärten und einen Spielkreis in eigener Trägerschaft führt. Vor allem Vertretungen seien kaum noch zu finden. "Die guten Kräfte sind ganz schnell in Stellen integriert, dann müssen wir wieder neu suchen."

An den Schulen und bei den Hortplätzen macht sich der Fachkräftemangel ebenfalls bereits deutlich bemerkbar. Die Stadt Buxtehude, die derzeit alle ihre Grundschulen in offene Ganztagsschulen umwandelt, tut sich schwer, die dafür benötigten 20 zusätzlichen Erzieherstellen zu besetzen. "Wir stellen jetzt schon fest, dass wir keine Kräfte mehr bekommen, zumindest nicht aus der Region", sagt Buxtehudes Erste Stadträtin Katja Oldenburg-Schmidt. Die 20 Stellen seien noch längst nicht alle besetzt, die Stadt werde jetzt in die zweite Ausschreibungsrunde gehen. "Der Markt ist leer gefegt. Und die Qualität am Markt ist auch nicht das, was wir uns wünschen und vorstellen", sagt Oldenburg-Schmidt, die den Fachbereich Jugend und Soziales leitet.

Auch in den acht Kindergärten der Samtgemeinde Fredenbeck, die alle in der Trägerschaft der Kommune sind, werden ständig Erzieher gesucht, und zu den zwei Krippengruppen in Fredenbeck sollen noch in diesem Jahr 15 Krippenplätze in Mulsum kommen. "Ich hatte zum neuen Kindergartenjahr fünf Erzieher einzustellen und habe mich gefragt, wie ich das wohl hinkriegen soll", sagt Fredenbecks Vize-Verwaltungschef Ralph Löblich. Wohl nur weil er Vollzeitstellen habe ausschreiben können, habe er noch fünf frisch ausgebildete Fachkräfte bekommen. "Und da ist keiner bei, von dem ich sagen würde, der ist zweite Wahl."

Da der drohende Erziehermangel absehbar gewesen sei, habe die Samtgemeinde bereits vor Jahren begonnen, ihre Teilzeitstellen aufzustocken, sagt Löblich. "Früher waren bei uns Vollzeitstellen im Kindergartenbereich exotisch. Jetzt wird es normal. Das ist eigentlich eine positive Entwicklung."