Biogasanlagen erzeugen Strom, heizen Schulen und Freibäder. Doch ausgerechnet die Grünen sehen die Sache kritisch.

Stade/Buxtehude. Nicht immer muss man im Landkreis Stade die Ohren spitzen, wenn der Bayerische Ministerpräsident etwas sagt. Wenn dieser aber, wie vor wenigen Tagen geschehen, den Ausstieg aus der Atomenergie fordert, dann dürfte das auch Auswirkungen auf den Norden haben.

Die Zeichen stehen auf Revolution in Deutschland. Genauer gesagt, in der deutschen Energiewirtschaft. Angesichts der Ereignisse in Japan vollzieht das konservative Lager eine Wende, das Resultat dürfte ein deutlich schnellerer Umstieg auf erneuerbare Energien sein. In einer Serie stellen wir vor, wie weit der Ausbau der grünen Stromgewinnung im Landkreis Stade ist und welche Probleme es gibt. Heute geht es um Energie aus Biomasse.

4,63 Megawatt ist die Zahl, die das bisher Erreichte markiert. Es handelt sich um die gesamte Nennleistung jener zehn Anlagen, die im Landkreis bereits im Betrieb und von der Kreisverwaltung genehmigt sind. Genehmigungspflichtig sind jene Anlagen, die mehr als 100 Kilowatt leisten können. Zum Vergleich: Das ehemalige Atomkraftwerk in Stade hatte eine Nennleistung von 650 Megawatt, die 15 Windparks im Landkreis verfügen immerhin über eine Nennleistung von rund 290 Megawatt. Die Leistung der Biogasanlagen nimmt sich vergleichsweise bescheiden aus.

In der Tat galt der Landkreis Stade in den vergangenen Jahren in Sachen Biogas als Nachzügler. Den zehn Anlagen stehen 84 im Landkreis Oldenburg entgegen, die dort bereits Ende 2008 in Betrieb waren. Auch die Landkreise Rotenburg (Wümme) und Cuxhaven lagen deutlich vor Stade.

Allerdings hat der Kreis Stade aufgeholt. Inzwischen hat auch zwischen Balje und Buxtehude ein regelrechter Biogas-Boom eingesetzt. Zwölf neue Anlagen befinden sich im Bau, für weitere 16 gibt es Anfragen bei der Landkreisverwaltung. Zehn befinden sich in der Samtgemeinde Harsefeld in Planung, weiterhin gibt es Vorhaben für neue Biogas-Anlagen in Deinste und Apensen. Die Zahl der Anlagen dürfte sich in den nächsten Jahren also in Richtung der 50 entwickeln, die Nennleistung der Anlagen würde dann die 20 Megawatt überschreiten.

Das wäre immer noch weniger als zehn Prozent der derzeitigen Leistung der Windparks, die sich voraussichtlich noch deutlich steigern wird. Doch Strom aus Biogas hat einen entscheidenden Vorteil. Anders als Wind- und auch Solarenergie kann er - unabhängig von den Wetterbedingungen - konstant erzeugt werden. Zudem erzeugen die Biogasanlagen Abwärme, die ebenfalls genutzt werden kann.

Ein Beispiel, wo die Nutzung der Wärme bereits funktioniert, befindet sich in Hammah. Die dortige Biogasanlage, die 950 Kilowatt Leistung hat, beheizt vor Ort auch eine Grundschule, einen Kindergarten und eine Sporthalle. Das technische Verfahren erklärt Jan Breuer, der die biologischen Verfahren der Anlage betreut. "Die Biogasanlage selbst wird, wie viele andere, mit Gülle und Mais betrieben. Mikroorganismen zersetzen die Stoffe, das entstehende Gas treibt vier Motoren an. Die Abwärme eines dieser Motoren reicht aus, um die Gebäude zu beheizen", sagt der studierte Agrarwirtschaftler.

Ein vergleichbares Verfahren wird auch in Bargstedt angewendet, wo die Abwärme einer Biogasanlage 33 Haushalte beheizt. In den anderen Orten der Samtgemeinde Harsefeld sollen in Zukunft weitere Gebäude auf diese Art beheizt werden. Im Gespräch sind Schulen, Schwimmbäder und das Harsefelder Rathaus. Die Heizenergie der Biogasanlagen stellt eine dezentrale Alternative zu Öl und Gas dar.

Trotz dieses zusätzlichen, umweltfreundlichen Gesichtspunkts sind die Biogasanlagen umstritten. Gerade Umweltschützer kritisieren die Tatsache, dass die Anlagen deutschlandweit immer zahlreicher werden. Der Kritik haben sich auch die Harsefelder Grünen angeschlossen, die die geplanten zehn Anlagen strikt ablehnen.

Auch Ulrich Hemke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag, schlägt kritische Töne an. "Beim Biogas gibt es bei uns eine eher restriktive Haltung. Wir befürchten, dass der vermehrte Maisanbau, der für die Anlagen nötig ist, zu Monokulturen führt. Außerdem steigen die Pachtpreise für Ackerland." Für Hemke ist es generell ein "ethisches Problem", wenn auf Ackerflächen Energieträger und keine Nahrungsmittel erzeugt werden.

Ist die Energiequelle, die anfänglich gerade die Grünen förderten, am Ende gar nicht umweltfreundlich? Roland Denien, Fraktionsmitglied der Grünen in Apensen, wiegelt ab. "Ich sehe es nach wie vor positiv, wenn neue Anlagen gebaut werden. Aber man muss auch auf andere Energiepflanzen setzen, wie Zuckerrüben."

Nicht nur eine, sondern viele Pflanzen zu verwenden - diese Idee findet auch Jan Breuer vernünftig, zumal "alles, was organisch ist", verwendet werden könne. Er rechnet damit, dass auf Bundesebene bald ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird.

Morgen geht es um Solaranlagen in der Region