Der Fischbestand und das ökologische Gleichgewicht sind massiv beeinträchtigt, wenn die Fahrrinne wie geplant auf bis zu 17 Meter vertieft wird.

Jork/Hamburg. Der Fisch, den Elbfischer Lothar Buckow aus Jork-Wisch täglich anlandet, ist begehrt. Wenn Stint oder Butt in Buckows kleinem Imbiss über den Tresen geht, dann wissen die Kunden, dass die Fische am Morgen noch in der Elbe schwammen. Von Aal bis Zander landen je nach Jahreszeit mehr als 80 verschiedene Fischarten in den Netzen der 184 aktiven Elbfischer.

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Doch kommt die vom Bund und Hamburg geplante Elbvertiefung um einen weiteren Meter steht die Existenz dieses Berufsstandes vor dem Aus. Auf 15,9 bis 17,1 Meter unter Seekartennull soll die Elbe ausgebaggert werden, damit Schiffe mit einem Tiefgang bis 13,5 Metern tideunabhängig und bis 14,5 Metern tideabhängig in den Hamburger Hafen einlaufen können. Rund 50 Berufsfischer zwischen Hamburg und Elbmündung haben sich nun entschlossen, für ihre Rechte zu kämpfen, und bereiten eine Gemeinschaftsklage vor. Etwa 30 000 Euro werden sie dafür aufbringen müssen. Zuvor hatten sie bereits Einspruch während des Planfeststellungsverfahrens eingelegt.

Wie Elbfischer Buckow gehen die meisten von ihnen an etwa 320 Tagen im Jahr auf Fang. Nur bei Eisgang bleiben die Kutter im Hafen. Es ist Schwerstarbeit, bei jedem Wetter, und nicht immer ist der Fang ergiebig. Zudem fischen die kleinen Familienbetriebe ganz bewusst umweltfreundlich mit sogenannten Hauen. Das sind breite Netze, die an den "Bäumen" eines Kutters an Steuerbord und Backbord in die Strömung des auflaufenden Wassers gelegt werden.

Doch nun müssen die Elbfischer fürchten, dass mit der Fahrrinnenanpassung das Ende ihres Broterwerbes droht. Und das, obwohl 1998 bei der bisher letzten Elbvertiefung ausdrücklich ein Abkommen zwischen den Behörden und den Fischern der Außen- und Unterelbe geschlossen worden ist, bei "fischereiwirtschaftlichen Belangen" einen "regelmäßigen Informationsaustausch" zu garantieren.

"Früher wurden die Konsequenzen der Baggerei in der Elbe ja abgestritten oder bagatellisiert. Heute geben die Verantwortlichen zu, dass es existenzbedrohend für uns ist", sagt Walter Zeeck, Sprecher der Hamenfischer. Zeeck ist in fünfter Generation Elbfischer und seine beiden Söhne, 31 und 33 Jahre alt, führen die Familientradition fort. Wie lange noch, ist nun fraglich.

"Wenn das Baggern beginnt, werden Fische und Kleinlebewesen angesaugt und geschreddert, ganz gleich, ob sie als gefährdete Arten auf der Roten Liste stehen oder besonders geschützt sind", sagt Zeeck.

Die Laichgebiete für Finte und Schnäpel, der Zug der Glasaale, die Schutzgebiete voller wertvoller Fische, all das werde durch permanent notwendige Baggerarbeiten, um die Fahrrinne befahrbar zu halten, beeinflusst und zerstört, so die Fischer. Und weil das in einem, im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamts Hamburg erstellten "Ergänzenden fischereiwirtschaftlichen Gutachten" in der erweiterten Version von Juli 2011 auch eingeräumt wird, sollen nun die Fischer die Bedrohung ihrer Existenz mit entsprechenden Gutachten nachweisen.

Die Planfeststellungsbehörden seien gehalten, "eine plausibel dargelegte Existenzgefährdung von Betrieben als Folge geplanter Eingriffe hinreichend zu prüfen", heißt es in dem Gutachten. Doch genau das erweise sich als schwierig, meint Elbfischer Buckow. "Es gibt keine Regelmäßigkeiten bei unseren Fangerträgen", sagt der Jorker, aber schon nach der letzten Elbvertiefung, die 1999 abgeschlossen wurde, habe er massive Veränderungen des Flusses zu spüren bekommen.

Zudem sei für die Fischer der Nachweis einer Existenzbedrohung wohl nur mit einer genauen wirtschaftlichen Analyse des Gesamtbetriebes über Jahre möglich. Zwar könne auf der Basis der derzeit verfügbaren Informationen für keinen der Fischereibetriebe eine Existenzgefährdung ausgeschlossen werden, räumt die Planfeststellungsbehörde ein. Aber welche Ausmaße die Verluste haben werden, müsste von den Fischern mit hohem Aufwand ermittelt werden. So sind Erhebungen der Ausgangssituationen der Betriebe, zu Fangplätzen, Fangmethoden, Fangmengen und Erlösen sowie der allgemeinen Betriebsstruktur und Vermarktungswege nötig. Dazu kämen fortlaufende Datenerhebungen und Auswertungen der Beeinträchtigungen auf ihre betriebswirtschaftliche Situation. Was so kompliziert klingt, ist es auch, denn Buckow, Zeeck und all die anderen Elbfischer sind mit ihrem Knochenjob reichlich ausgelastet.

Und während die Obstbauern der befürchteten Versalzung ihres Beregnungswassers mit 18 Millionen Euro Unterstützung vom Bund technisch dem Fiasko vorbeugen können, steht die kleine Gruppe der Elbfischer bislang völlig allein da - ohne jeglichen Ausgleich für zerstörende Eingriffe in den Fluss, ihre Existenzgrundlage.